«Wir haben uns fast fremdgeschämt»
Am Wochenende wurde in einer Eventhalle in Luzern ein öffentlicher Auftritt der Band «Heimweh» zum Gesprächsthema zahlreicher Besucher. Grund hierfür war jedoch nicht – wie zu erwarten gewesen wäre – die Darbietung der Musiker selbst, sondern vielmehr der eigens für die Veranstaltung angebotene VIP-Bereich. Die Gestaltung dieses Bereichs und das Verhalten der dort anwesenden Personen löste unter den Besucherinnen und Besuchern teils Unverständnis aus. Bei einigen war gar von «Fremdschämen» die Rede.
Der Anlass, organisiert in einer der grösseren Luzerner Eventhallen, war ursprünglich als Volksmusik-Konzert mit Begegnungscharakter angelegt. Die Sänger der populären Schweizer Band «Heimweh» traten dabei in gewohnter Manier mit volkstümlichem Flair auf und richteten ihr Programm an ein Publikum, das für seine Bodenständigkeit bekannt ist. Doch gerade dieser Kontrast zwischen den bescheidenen Werten, die die Band vermittelt, und der Exklusivität des VIP-Konzepts sorgte für Diskussionen.
Laut Aussagen mehrerer Besucherinnen und Besucher, die sich nach der Veranstaltung äusserten, wirkte der VIP-Bereich «abgehoben» und deplatziert. “Wir haben uns fast fremdgeschämt”, liess sich eine Frau zitieren, die die Abgrenzung zwischen allgemeinem Publikum und VIP-Gästen als unpassend empfand. Markierungen auf dem Boden, Absperrungen und exklusive Sitzbereiche verstärkten den Eindruck, dass zwei unterschiedliche Kategorien von Gästen bedient wurden – was dem ursprünglich intendierten Gemeinschaftserlebnis widersprochen haben dürfte.
Ein weiterer Kritikpunkt war das Verhalten einzelner Gäste im VIP-Bereich, die laut Aussagen teilweise wenig Rücksicht auf das restliche Publikum nahmen. Berichtet wurde etwa von lautstarken Gesprächen während der Darbietungen sowie von einem demonstrativen Konsum höherpreisiger Getränke. Diese Verhaltensweisen standen im Widerspruch zur volkstümlich-bodenständigen Atmosphäre, die das Konzert vermitteln sollte.
Organisatorisch war der VIP-Bereich Teil eines breiter angelegten Eventkonzepts, das neben dem musikalischen Rahmen auch eine kulinarische Komponente enthielt. Für VIP-Gäste wurde ein gesonderter Empfang mit Apéro angeboten, ergänzt durch bevorzugten Zugang zur Halle und reservierte Plätze in den vorderen Reihen. Zwar ist ein solches Angebot im Veranstaltungswesen – gerade bei Konzerten grösserer Reichweite – nicht unüblich, jedoch stört sich das Publikum offenbar an der Diskrepanz zwischen Anspruch und Inszenierung.
Die Prominenz der sich im VIP-Bereich aufhaltenden Personen spielte ebenfalls eine Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Entgegen der Erwartung vieler Besucher, es handle sich hierbei etwa um Musiker, Produzenten oder Veranstalter, wurde erkennbar, dass sich die Mehrheit der Gäste durch Zukauf von VIP-Tickets den privilegierten Zugang erkauft hatte. Damit war der Eindruck, es handle sich um eine exklusive Einladung aus künstlerischem oder organisatorischem Anlass, für viele nicht gegeben. Die Exklusivität erschien damit eher künstlich erzeugt als inhaltlich bedingt.
In sozialen Netzwerken fand der Abend ebenfalls Widerhall. Unter anderem kursierten Videos, die die Aufteilung der Halle dokumentieren, aber auch Kommentare, in denen Besucher ihrer Enttäuschung Ausdruck verliehen. Besonders die Gleichzeitigkeit von emotionaler Musik mit volksnahem Inhalt und einer deutlich spürbaren sozialen Trennung innerhalb des Publikums sorgte bei vielen für Irritation.
Aus Veranstaltersicht ist zu betonen, dass derartige VIP-Konzepte wirtschaftliche Zielsetzungen verfolgen und nicht zwingend als Ausdruck gesellschaftlicher Hierarchien zu verstehen sind. Der Erlös aus höherpreisigen Ticketkategorien dient häufig zur Querfinanzierung weniger einträglicher Ticketsegmente oder zur Deckung erhöhter Infrastrukturkosten. Rechtlich gesehen bestehen keine Bedenken gegen das Angebot von VIP-Dienstleistungen, solange dabei keine Diskriminierung erfolgt und sicherheitsrelevante Vorgaben eingehalten werden.
Ob der Vorfall langfristige Auswirkungen auf das Image der Band oder zukünftige Eventkonzeptionen des Veranstalters hat, bleibt offen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Wirkung von VIP-Kategorien auf das Gesamterlebnis scheint jedoch angeraten. Gerade bei Veranstaltungen, die sich explizit an ein breites, werteorientiertes Publikum richten, ist der Einklang zwischen Inszenierung und Markenidentität von zentraler Bedeutung.
Die Band «Heimweh» hat sich bislang nicht öffentlich zu dem Abend geäussert. Auch vom Veranstalter liegen derzeit keine detaillierten Stellungnahmen vor. Sollte sich jedoch aus den Rückmeldungen des Publikums ein breiteres Stimmungsbild abzeichnen, ist nicht auszuschliessen, dass künftige Veranstaltungen unter veränderten Bedingungen stattfinden werden. Der Fall zeigt einmal mehr, wie sensibel das Zusammenspiel von Publikumserwartung, Veranstaltungsdesign und Künstlerimage sein kann – besonders im Bereich bodenständiger Musikformate mit regionaler Verankerung.