Schadensersatz wegen rechtswidriger Mitarbeiterüberwachung
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Urteil vom 14.12.2023 (Az. 13 Sa 564/23) einer ehemaligen Mitarbeiterin Schadensersatz in Höhe von 1.000 Euro zugesprochen, weil ihr Arbeitgeber sie ohne rechtliche Grundlage per Video überwacht hatte. Der Fall beleuchtet die enge Verzahnung arbeitsrechtlicher Pflichten mit datenschutzrechtlichen Vorgaben und unterstreicht, dass Unternehmen bei der Datenerhebung gegenüber Beschäftigten strenge Maßstäbe einhalten müssen.
Unzulässige Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die verdeckte Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber mittels einer Videoaufzeichnung. Die betroffene Arbeitnehmerin war an einem Arbeitsplatz tätig, der durch Kameras überwacht wurde. Der Arbeitgeber initiierte die Aufzeichnung mutmaßlich zur Überprüfung vermuteter Gesetzesverstöße oder Pflichtverletzungen der Klägerin – allerdings ohne hinreichende Dokumentation konkreter Verdachtsmomente.
Die Klägerin erfuhr erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Rechtsstreits von der Überwachung. Sie machte daraufhin einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geltend. Sie argumentierte, dass die verdeckte Überwachung einen schwerwiegenden Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht darstelle.
LAG Hamm erkennt Schadensersatzanspruch an
Das Landesarbeitsgericht Hamm folgte der Argumentation der Klägerin in zentralen Punkten. Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der verdeckten Videoüberwachung um eine Verarbeitung personenbezogener Daten handelte, bei der es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO fehlte. Insbesondere sei die Videoüberwachung am konkreten Arbeitsplatz nicht erforderlich gewesen, da mildere Mittel zur Aufklärung etwaiger Pflichtwidrigkeiten bestanden hätten.
Ein solcher Eingriff müsse insbesondere an den Maßstäben der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gemessen werden. Diese Voraussetzungen sah das Gericht nicht erfüllt. Die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO seien überdies verletzt worden, da die Klägerin über die Maßnahme nicht informiert worden war.
Bemessung des immateriellen Schadensersatzes
Im Urteil unterstrich das Landesarbeitsgericht, dass eine bloße Feststellung der Datenschutzverletzung nicht ausreiche, sondern ein tatsächlicher Schaden – auch immaterieller Natur – vorliegen muss, damit der Anspruch begründet ist. Es betonte zugleich, dass der ersatzfähige Schaden weit zu verstehen sei und auch Beeinträchtigungen umfassen könne, die etwa Angst oder Kontrollverlust über persönliche Daten hervorrufen.
Das Gericht sprach der Klägerin einen Schadensersatzbetrag von 1.000 Euro zu. Dieser Betrag wurde unter Berücksichtigung des Umfangs der Überwachung sowie deren Dauer und Eingriffsintensität bemessen. Dabei berücksichtigte das Gericht unter anderem, dass die Klägerin über längere Zeiträume hinweg ohne ihr Wissen überwacht worden war und dass die Videoüberwachung an einem sensiblen Arbeitsplatz erfolgt war.
Rechtsdogmatische Einordnung
Die Entscheidung reiht sich in eine wachsende Anzahl von Urteilen ein, die das Verhältnis zwischen Datenschutzgrundverordnung und Arbeitsrecht konkretisieren. Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung, dass Arbeitgeber auch bei internen Ermittlungen datenschutzrechtliche Maßgaben einzuhalten haben. Die bloße Vermutung eines Fehlverhaltens oder allgemeines Sicherheitsinteresse reichen nicht aus, um eine verdeckte Videoüberwachung zu rechtfertigen.
Art. 6 Abs. 1 DSGVO enthält verschiedene Erlaubnistatbestände für die Datenverarbeitung, etwa zur Erfüllung vertraglicher Pflichten oder auf Grundlage berechtigter Interessen. Diese Interessen müssen jedoch gegen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person abgewogen werden. Im vorliegenden Fall fiel diese Abwägung eindeutig zugunsten der Klägerin aus.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber eine sorgfältige Dokumentation und Abwägung vornehmen müssen, bevor sie zu Mitteln wie Videoüberwachung greifen. Besonders im Arbeitsverhältnis, das durch ein strukturelles Machtgefälle geprägt ist, kommt den Rechten der Beschäftigten ein hoher Stellenwert zu. Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben können nicht nur zu Sanktionen durch Aufsichtsbehörden führen, sondern auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
Für betroffene Arbeitnehmer bedeutet das Urteil zudem, dass eine verspätete Kenntnis von Datenschutzverstößen nicht zwangsläufig den Anspruch auf Schadensersatz ausschließt. Sofern sie innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren Klage erheben, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, auch immaterielle Schäden einzuklagen.
Fazit
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm stärkt die Rechte von Beschäftigten im Umgang mit sensiblen personenbezogenen Daten und mahnt Arbeitgeber zur datenschutzkonformen Gestaltung von Kontrollmaßnahmen. Eine verdeckte Überwachung ohne konkrete Anhaltspunkte und ohne Information der Betroffenen ist grundsätzlich unzulässig und kann empfindliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Das Urteil schafft damit mehr Klarheit für den rechtskonformen Umgang mit Videoüberwachung am Arbeitsplatz.