Schadensersatz wegen rechtswidriger Mitarbeiterüberwachung

Schadensersatz wegen rechtswidriger Mitarbeiterüberwachung

Ein Unternehmen wurde vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zu einer Schadensersatzzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin verurteilt, nachdem es eine rechtswidrige Überwachung am Arbeitsplatz durchgeführt hatte. Der Fall betraf die verdeckte Videoüberwachung der Klägerin, die als Verkaufskraft in einer Einzelhandelsfiliale beschäftigt war. Sie hatte sich gegen die Maßnahme zur Wehr gesetzt und in der Folge auf Schadensersatz wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts geklagt. Das Gericht sprach ihr daraufhin 2.000 Euro zu.

Versteckte Videoüberwachung ohne rechtliche Grundlage

Die ehemalige Mitarbeiterin war während ihrer Beschäftigung über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg durch eine verdeckt installierte Videokamera überwacht worden. Nach Angaben des Arbeitgebers sollte die Aufnahme der Aufklärung von Diebstählen durch Mitarbeitende dienen. Die Kamera war so platziert, dass sie den Kassenbereich sowie den Aufenthaltsraum erfasste. Eine Information an die Belegschaft über die Installation oder den Zweck der Kamera erfolgte nicht.

Dieser Umstand erwies sich vor Gericht als entscheidungserheblich. Die Richterinnen und Richter kamen zu dem Schluss, dass die Videoüberwachung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Insbesondere sahen sie keine ausreichende Rechtsgrundlage für einen derart gravierenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten. Der Einsatz von Videotechnik zur Überwachung sei nur in engen rechtlichen Grenzen zulässig, insbesondere wenn ein konkreter Verdacht einer Straftat bestehe und mildere Mittel nicht zur Verfügung stünden. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Verstoß gegen Datenschutzrecht und Persönlichkeitsrecht

Das Landesarbeitsgericht betonte in seiner Entscheidung, dass die verdeckte Videoüberwachung einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen darstelle. Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn dafür eine Rechtsgrundlage besteht und die Betroffenen ordnungsgemäß informiert werden. Beides war in diesem Fall nicht gegeben.

Da die Überwachung ohne Wissen und ohne Einwilligung der Mitarbeiterin stattfand, verletzte der Arbeitgeber zudem die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO. Die Beweisaufnahme ergab außerdem, dass der Arbeitgeber keine Abwägung zwischen seinem Überwachungsinteresse und dem Schutzinteresse der betroffenen Person vorgenommen hatte. Auch alternative, weniger eingriffsintensive Maßnahmen zur Aufklärung etwaiger Verdachtsmomente wurden nicht erwogen.

Schadensersatz wegen immaterieller Schäden

Die Klägerin forderte Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden. Das Gericht erkannte zwar einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO an, reduzierte den zugesprochenen Betrag jedoch auf 2.000 Euro. Dabei berücksichtigte es insbesondere die Dauer und Intensität der Überwachung sowie den Umstand, dass die Aufnahmen nicht veröffentlicht, sondern lediglich für interne Prüfzwecke verwendet wurden.

Nach Auffassung der Kammer handelte es sich gleichwohl um einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiterin, da diese über längere Zeit hinweg und in einem Bereich überwacht wurde, der nicht nur den Kassenplatz, sondern auch private Rückzugsbereiche wie Aufenthalts- und Pausenräume umfasste. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber, die Überwachungsmaßnahmen durchführen, einer hohen rechtlichen Verantwortung unterliegen und mit Schadensersatzforderungen rechnen müssen, wenn sie gegen Datenschutzvorgaben verstoßen.

Konsequenzen für die betriebliche Überwachungspraxis

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für die Gestaltung von Kontrollmaßnahmen in Unternehmen. Die rechtlichen Hürden für eine verdeckte Videoüberwachung sind hoch, insbesondere seit Inkrafttreten der DSGVO. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass jede Form der Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist, auf einer legitimen Rechtsgrundlage beruht und im Einklang mit dem Grundsatz der Transparenz erfolgt.

Dies bedeutet unter anderem, dass Betroffene frühzeitig über die Überwachung unterrichtet werden müssen, es sei denn, es liegt ein konkreter Verdacht auf eine schwere Pflichtverletzung vor, der eine heimliche Maßnahme rechtfertigen könnte. Ferner muss eine sorgfältige Interessenabwägung dokumentiert und begründet werden. Wie das vorliegende Urteil zeigt, kann ein Verstoß nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch datenschutzrechtliche Konsequenzen haben.

Relevanz für Personalabteilungen und Compliance

Für Personalverantwortliche und Compliance-Beauftragte ergibt sich aus dem Entscheidungsinhalt die Notwendigkeit, interne Überwachungsmaßnahmen – etwa zur Diebstahlsprävention oder Qualitätssicherung – auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin zu überprüfen. Der Einsatz technischer Mittel zur Verhaltens- oder Leistungskontrolle von Beschäftigten ist rechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen vertretbar und darf nicht in einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre münden.

Zudem unterstreicht das Urteil, dass Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften nicht nur Sanktionen durch Aufsichtsbehörden, sondern auch individuelle Schadensersatzansprüche nach sich ziehen können. Die Bemessung des Schadensersatzes im konkreten Fall zeigt zugleich, dass auch bei einem verhältnismäßig geringen Eingriff relevante Summen erreicht werden können, was Unternehmen ein erhebliches Haftungsrisiko auferlegt.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts steht im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung, die einen strengen Maßstab für die Zulässigkeit verdeckter Überwachung anlegt. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Urteil revisionsweise überprüft wird oder sich sogar eine höchstrichterliche Klärung durch das Bundesarbeitsgericht ergibt. In jedem Fall sollte es als deutliches Signal an Arbeitgeber verstanden werden, datenschutzrechtliche Anforderungen ernst zu nehmen und Überwachungsinstrumente mit großer Zurückhaltung einzusetzen.

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