Sabine Reininghaus: „Ich habe mich in die Annenstraße verliebt“

Sabine Reininghaus: „Ich habe mich in die Annenstraße verliebt“

Sabine Reininghaus ist seit vielen Jahren eine bekannte Figur in der Grazer Kulturlandschaft. In ihrem jüngsten Interview spricht sie nicht nur über ihr künstlerisches Schaffen, sondern vor allem über ihre wachsende tiefe Verbundenheit zur Annenstraße – einem Stadtteil, der stetiger Veränderung unterliegt und doch ein besonderes Flair bewahrt hat.

„Ich habe mich in die Annenstraße verliebt“, sagt Reininghaus, und diese Aussage ist mehr als nur eine beiläufige Bemerkung. Sie beschreibt damit eine emotionale Beziehung zu einem urbanen Raum, der für viele Menschen primär als Durchzugsort zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt gilt. Für Reininghaus ist die Straße jedoch weit mehr: ein sozialer und kultureller Mikrokosmos, der Facettenreichtum und Lebendigkeit vereint.

Die Annenstraße hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Veränderungsprozesse durchlaufen: bauliche Sanierungen, eine Umgestaltung des Verkehrsflusses sowie die Neubelebung durch kleine Betriebe, Ateliers und soziale Einrichtungen. Reininghaus beobachtet diesen Wandel nicht nur, sie ist ein Teil davon. Sie engagiert sich aktiv in Initiativen, die den Stadtteil gestalten, und setzt sich für Kunstprojekte im öffentlichen Raum ein.

Für die Grazer Künstlerin ist die Annenstraße auch ein Ort der Inspiration. Sie erzählt, dass Spaziergänge durch die Straße regelmäßig neue Ideen hervorbringen. Begegnungen mit Anwohnerinnen und Anwohnern, mit Jugendlichen, mit älteren Menschen oder auch mit neu Zugezogenen hinterlassen Eindrücke, die sie in ihre Arbeit einfließen lässt. „Diese Vielfalt bringt mich zum Denken – und zum Gestalten“, schildert sie.

Besonders hebt Reininghaus dabei das Miteinander hervor, das auf der Annenstraße zunehmend gestärkt wird. Trotz sozialer Herausforderungen sei in den letzten Jahren ein stärkerer Zusammenhalt zu spüren, getragen von sozialen Organisationen, engagierten Einzelpersonen und einer wachsenden Sensibilität der Stadtverwaltung. Projekte zur Aufwertung des öffentlichen Raums, wie Kunstinstallationen, temporäre Veranstaltungen oder Begrünungsmaßnahmen, tragen dazu bei, die Aufenthaltsqualität zu verbessern.

Reininghaus lobt speziell die Mischung aus Alt und Neu, die die Straße für sie so attraktiv macht. Früher als „Problemzone“ wahrgenommen, befindet sich die Annenstraße heute in einem Prozess der positiven Transformation. Dabei ist für Reininghaus klar: Diese Entwicklung soll nicht durch Verdrängung geprägt sein, sondern im Dialog mit den bestehenden Bewohnerinnen und Bewohnern erfolgen. „Es geht nicht darum, alles zu erneuern, sondern das Bestehende sichtbar zu machen und in einen zeitgemäßen Kontext zu stellen“, so ihre Auffassung.

Ein Beispiel dafür ist ihre Mitwirkung bei einem künstlerischen Projekt, das sich mit der Geschichte einzelner Häuser entlang der Annenstraße auseinandersetzt. Archive, persönliche Erinnerungen und aktuelle Lebensrealitäten fließen hier zusammen. Für Reininghaus ist dies auch ein Beitrag zum kollektiven Gedächtnis der Stadt und Ausdruck eines inklusiven Kulturverständnisses.

Reininghaus möchte mit ihrer Arbeit auch Anstöße geben, wie urbane Räume nachhaltig gestaltet und genutzt werden können. Dabei liegt ihr Fokus auf partizipativer Kunst: Projekte, bei denen Menschen eingeladen werden, sich selbst einzubringen und mitzugestalten. In der Annenstraße sieht sie eine ideale Bühne für diese Form der Auseinandersetzung. „Hier ist die Stadt nicht Kulisse, sondern Akteurin“, meint sie.

Auch auf die Herausforderungen geht sie ein: Leerstände, wirtschaftliche Unsicherheiten mancher Betriebe und fehlende langfristige Planungssicherheit prägen oft das Bild. Dennoch spricht sie sich gegen eine rein ökonomische Betrachtung der Stadtentwicklung aus. „Stadt ist mehr als Umsatz. Es geht um Lebensqualität, um Identität, um Zugehörigkeit“, so Reininghaus.

Die Künstlerin sieht die Rolle der Kulturarbeit in diesem Kontext als vermittelnd und verbindend. In ihrer Vision bilden Künstlerinnen und Künstler, soziale Träger, Gewerbetreibende und die Stadtpolitik ein Netzwerk, das gemeinsam neue Perspektiven entwickelt. Wichtig sei dafür ein kontinuierlicher Dialog auf Augenhöhe. „Es geht um Vertrauen und das ernsthafte Interesse, voneinander zu lernen“, fasst sie zusammen.

Mit Blick auf die Zukunft zeigt sich Reininghaus optimistisch. Sie wünsche sich, dass die Annenstraße noch mehr zu einem Ort wird, an dem Menschen nicht nur wohnen oder einkaufen, sondern sich auch begegnen können – über soziale, kulturelle und ökonomische Unterschiede hinweg. Sie plädiert für eine Stadtpolitik, die auf langfristige Strategien setzt und zivilgesellschaftliche Initiativen stärkt.

Für Reininghaus ist die Annenstraße inzwischen weit mehr als ein geografischer Ort. Sie bezeichnet sie als „emotionalen Resonanzraum“, der Fragen nach Identität, Zusammenleben und Gestaltung aufwirft. Die Straße sei auch ein Spiegel für urbane Dynamiken und damit ein Lehrstück dafür, wie Veränderung konstruktiv und sozial nachhaltig gelingen kann.

Damit steht Sabine Reininghaus exemplarisch für eine Haltung, die Kunst nicht als Selbstzweck begreift, sondern als Plattform für Diskurs und Begegnung. Ihre Verbundenheit zur Annenstraße ist Ausdruck eines Verständnisses von Stadt als lebendigem, sich wandelndem Gebilde – und als Raum, den es gemeinsam zu gestalten gilt.

Subscribe to ShadowWire

Don’t miss out on the latest issues. Sign up now to get access to the library of members-only issues.
jamie@example.com
Subscribe