Private Ermittler in Unternehmen: Die Branche steckt tief in der Krise

Private Ermittler in Unternehmen: Die Branche steckt tief in der Krise

Die Tätigkeit privater Ermittlungsdienste im Unternehmensumfeld steht zunehmend unter Druck. Die Branche der Wirtschaftsdetektive, die Unternehmen unter anderem bei internen Ermittlungen, Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität oder bei Compliance-Verstößen unterstützen soll, gerät in eine tiefe Krise. Gründe hierfür sind nicht nur struktureller Natur, sondern auch hausgemacht – hinzu kommen ein wachsender Vertrauensverlust und rechtliche Unsicherheiten.

Private Ermittlungsdienste gehören für viele Unternehmen traditionell zum Instrumentarium der internen Kontrolle. Besonders bei Verdachtsfällen wie Untreue, Diebstahl, Bestechung oder Spionage greifen Unternehmen auf spezialisierte Dienstleister zurück. Diese sollen unauffällig Beweise sichern, Mitarbeiter observieren oder digitale Spuren verfolgen. Doch dieses Geschäftsmodell steht derzeit massiv unter Druck.

Ein zentrales Problem liegt im Imageverlust der Branche. Immer wieder geraten Detekteien mit fragwürdigen Methoden oder unzureichender juristischer Absicherung in den Fokus der Kritik. Prominente Missbrauchsfälle – etwa unzulässige Mitarbeiterüberwachungen ohne ausreichenden Anlass oder verdeckte Ermittlungen ohne rechtliche Grundlage – haben dazu geführt, dass sich Unternehmen vermehrt von privaten Ermittlern distanzieren. Datenschutzrechtliche Anforderungen, insbesondere die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), setzen der Branche zusätzlich enge Grenzen.

„Die Zeit der Cowboy-Methoden ist vorbei“, heißt es aus Kreisen von Rechtsexperten, die regelmäßig mit unternehmensinternen Ermittlungen befasst sind. Professionelle Aufklärung sei nach heutigen Standards nur noch unter Führung von Juristen sowie unter Einhaltung klarer Compliance- und Dokumentationsregeln möglich. Vor allem große Kanzleien bieten deshalb selbst Ermittlungsdienste an – juristisch wasserdicht und mit Zugang zu internationalen Ressourcen. Die Zusammenarbeit mit externen Wirtschaftsdetekteien erfolgt dabei, wenn überhaupt, nur noch unter strengen vertraglichen Vorgaben und nach juristischer Vorabprüfung.

Ein weiterer Aspekt der Krise ist der zunehmende Einsatz moderner Technologien, der klassische Ermittlungsarbeiten ersetzt. Digitale Forensik, künstliche Intelligenz zur Analyse von Kommunikationsdaten und Datenmuster sowie automatisierte Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in Buchhaltungs- oder ERP-Systemen machen viele traditionelle Methoden überflüssig. Auswertungen von IT-Systemen und eDiscovery-Verfahren sind heute oft nicht nur effizienter, sondern auch rechtlich besser abgesichert als etwa die klassische Mitarbeiterbeschattung.

Hinzu kommt ein wirtschaftlicher Konsolidierungsdruck. Viele kleinere und mittelständische Ermittlungsfirmen leiden unter fehlender Nachfrage, steigenden regulatorischen Anforderungen und Misstrauen seitens der Auftraggeber. Die Folge: ein massiver Marktschwund. Einige Betriebe mussten aus finanziellen Gründen schließen, andere wurden von größeren Sicherheitsdienstleistern übernommen oder agieren heute nur noch in Nischenbereichen, etwa bei der Sicherung von Beweismitteln in Zivilverfahren. Der Verband Deutscher Detektive schlägt Alarm: Innerhalb von zehn Jahren habe sich die Zahl professionell arbeitender Ermittlungsunternehmen in Deutschland halbiert.

Für Unternehmen stellt sich dabei zunehmend die Frage, ob sich der Einsatz privater Ermittler überhaupt noch lohnt. Angesichts der rechtlichen Risiken, der öffentlichen Wahrnehmung und der internen Compliance-Vorgaben entscheiden sich viele Firmen dafür, interne Revisionen, Compliance-Abteilungen oder externe Kanzleien mit Prüfaufträgen zu betrauen. Diese Entwicklung führt jedoch auch zu einer Veränderung der Anforderungen an betriebsinterne Strukturen. „Die interne Prävention wird wichtiger, die externe Aufklärung verliert an Stellenwert“, so ein Insider aus der Compliance-Praxis eines DAX-Konzerns.

Ein Einzelfall, der exemplarisch für die Risiken privater Ermittlungen steht, betrifft einen Automobilzulieferer, der verdeckte Ermittlungen gegen mehrere Mitarbeiter im Verdacht auf Geheimnisverrat eingeleitet hatte. Die eingesetzte Detektei überwachte beteiligte Personen über Wochen hinweg mittels GPS-Ortung und Observation. Vor Gericht hielt die Beweislage nicht stand – nicht nur, weil die Überwachung unverhältnismäßig war, sondern auch, weil keine ausreichende Rechtsgrundlage vorlag. Das Unternehmen wurde zu Schadensersatz verurteilt, die Detektei überprüft inzwischen ihre Geschäftspraktiken.

Die gesetzlichen Anforderungen sind hoch: Jede Ermittlung muss nicht nur verhältnismäßig und zweckgebunden sein, sie bedarf auch eines dokumentierten Anfangsverdachts, einer datenschutzrechtlichen Bewertung und häufig der Abstimmung mit einem Betriebsrat. Für private Ermittler, die oft ohne juristische Fachkenntnis agieren, ist dies kaum noch risikofrei umzusetzen. Die Folge: Unternehmen bevorzugen die Arbeit mit spezialisierten Anwaltskanzleien, deren Ermittlungen von Beginn an rechtlich begutachtet sind und die bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten als haftbare Instanz auftreten können.

Ein weiterer Druckfaktor ist das gestiegene Bewusstsein für Arbeitnehmerrechte und die zunehmende Bedeutung von Whistleblower-Systemen. Unternehmen investieren zunehmend in präventive Maßnahmen, Schulungen und Compliance-Systeme. Die Notwendigkeit, auf externe, gegebenenfalls verdeckt arbeitende Ermittler zurückzugreifen, nimmt dadurch ab. Zugleich geraten solche Einsätze stärker ins Licht der Öffentlichkeit, was insbesondere für börsennotierte Unternehmen ein Reputationsrisiko darstellen kann.

Die Krise der privaten Unternehmensdetektive ist damit nicht nur auf einen Strukturwandel zurückzuführen, sondern auch auf tiefgreifende Vertrauensprobleme, rechtliche Komplexität und die gestiegenen Anforderungen an Professionalität und Transparenz. Ob ein neues, juristisch fundiertes Geschäftsmodell daraus hervorgeht, bleibt offen. Klar ist aber: Ohne eine grundlegende Neuorientierung droht vielen klassischen Ermittlungsfirmen das Aus.

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