OLG Oldenburg: Überwachung durch Unfallopfer durch Detektiv | Recht

OLG Oldenburg: Überwachung durch Unfallopfer durch Detektiv | Recht

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat in einem aktuellen Urteil vom 20. Dezember 2023 (Az. 13 U 56/23) entschieden, dass die Einschaltung eines Detektivs durch ein Unfallopfer zur Beobachtung eines Unfallgegners grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig sein kann. Das Gericht hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die verdeckte Beobachtung eines Schädigers durch den Geschädigten datenschutzrechtlich zulässig ist, insbesondere in Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG sowie datenschutzrechtlicher Regelungen der DSGVO.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Verkehrsunfall, bei dem der Kläger schwere Verletzungen davongetragen hatte und langfristige gesundheitliche Folgen behauptete. Zur weiteren Anspruchsdurchsetzung und zur Prüfung der Ernsthaftigkeit der Angaben des Schädigers bezüglich seiner eigenen physischen Einschränkungen und Einkommensverhältnisse hatte der Kläger einen Detektiv beauftragt. Dieser observierte den Beklagten über mehrere Tage, unter anderem in der Nähe seiner Wohnanschrift sowie bei Aktivitäten im öffentlichen Raum. Dabei wurden auch Bild- und Videodaten erhoben.

Der Beklagte machte daraufhin geltend, dass die Observation einen unzulässigen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte darstelle. Insbesondere sei die Überwachung heimlich und ohne seine Einwilligung erfolgt, was einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen darstelle. Zudem sei nicht erkennbar, inwiefern die erhobenen Daten für die Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche erforderlich gewesen seien.

Das Landgericht hatte in der Vorinstanz die Maßnahme als rechtswidrig eingeordnet und eine datenschutzkonforme Rechtfertigung der Überwachung verneint. Das OLG Oldenburg hingegen hob dieses Urteil auf und stellte fest, dass die Überwachung im konkreten Einzelfall rechtmäßig gewesen sei.

Rechtliche Voraussetzungen der Überwachung

Nach Auffassung des Gerichts sei ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zwar gegeben. Dieser könne jedoch im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn berechtigte Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO überwiegen und die Maßnahme erforderlich und angemessen sei. In der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Geschädigter eine berechtigte Grundlage gehabt habe, die Angaben des Beklagten überprüfen zu lassen, insbesondere um berechtigte Schadensersatzansprüche durchzusetzen oder unberechtigte Forderungen abzuwehren.

Das Gericht betonte, dass – anders als bei Observationen durch öffentlich-rechtliche Stellen oder Arbeitgeber – im Verhältnis zwischen zwei Privatpersonen andere Maßstäbe gelten, wenn es um die Erhebung personenbezogener Daten zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche geht. Es komme auf die konkrete Verhältnismäßigkeit der Maßnahme an.

Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit bejaht

Die Observation selbst sei in diesem Fall im öffentlichen Raum erfolgt, insbesondere auf allgemein zugänglichen Straßen und Wegen. Eine Überwachung in der Privatwohnung oder in besonders geschützten Rückzugsräumen habe nicht stattgefunden. Die eingesetzten Mittel – insbesondere Videoaufnahmen – seien auf das notwendige Maß beschränkt gewesen. Die Beobachtungen beschränkten sich auf einen Zeitraum von insgesamt drei Tagen. Zudem seien die Erkenntnisse aus der Überwachung direkt mit der Beurteilung der glaubhaft gemachten Beschwerden des Beklagten in Zusammenhang gestanden, da der Beklagte zuvor im Prozess Angaben über erhebliche körperliche Einschränkungen gemacht hatte.

Nach Ansicht des Gerichts könne ein Geschädigter sich zur Vorbereitung oder Verteidigung seiner rechtlichen Ansprüche auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen, wenn die Datenverarbeitung – wie hier durch Observation – zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist und keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. In der konkreten Interessenabwägung sah das Gericht keine unzulässige Beeinträchtigung der Rechte des Beklagten.

Keine Verletzung der Menschenwürde oder unzulässige Persönlichkeitsrechtsverletzung

Besonders hervorzuheben ist, dass das OLG Oldenburg ausdrücklich betonte, dass es weder eine Verletzung der Menschenwürde noch eine unzulässige Ausforschung der Privatsphäre des Beklagten gegeben habe. Maßgeblich sei, dass die Maßnahme zielgerichtet durchgeführt worden sei, eine zeitliche Begrenzung aufweise und keine Auswüchse im Sinne einer ständigen Totalüberwachung angenommen werden müssten. Entscheidend sei auch, dass die gewonnenen Informationen letztlich der gerichtlichen Überprüfung unterlägen und nicht willkürlich oder zur bloßen Neugierde erhoben worden seien.

Eine heimliche Überwachung könne im Ausnahmefall auch zwischen Privatpersonen rechtmäßig sein, wenn sie der gerichtlichen Geltendmachung konkreter Rechtspositionen diene und keine milderen Mittel zur Verfügung stünden. Das Gericht ermutigte in seiner Entscheidung zudem zu einem sensiblen, maßvollen Einsatz solcher Mittel und wies darauf hin, dass jede Observation stets einer strengen Einzelfallprüfung unterliege.

Relevanz für die Praxis

Das Urteil des OLG Oldenburg stellt eine wichtige Klarstellung zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit privater Recherchemaßnahmen durch Detektivbüros dar, insbesondere im Kontext von zivilrechtlichen Schadensersatzverfahren. Es unterstreicht, dass eine pauschale Unzulässigkeit heimlicher Ermittlungen nicht angenommen werden kann, wenn nachvollziehbare Gründe und ein berechtigtes Interesse bestehen. Gleichzeitig macht die Entscheidung deutlich, dass eine genaue Abwägung zwischen den Interessen beider Parteien vorzunehmen ist und eine Überschreitung der rechtsstaatlichen Grenzen ausgeschlossen bleibt.

Für die Praxis bedeutet dieses Urteil, dass Unfallopfer oder andere Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich zulässig Detektive einschalten dürfen, wenn sie Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Unfallverursachers haben. Voraussetzung ist jedoch stets eine sorgfältige Prüfung der Erforderlichkeit sowie die Beachtung datenschutzrechtlicher Rahmenbedingungen.

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