Observation unzulässig - Wichtige Entscheidung des BAG - Datenschutz - Schadensersatz - Überwachung durch Detektei

Observation unzulässig - Wichtige Entscheidung des BAG - Datenschutz - Schadensersatz - Überwachung durch Detektei

In einer wegweisenden Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 29. Juni 2023 seine Rechtsprechung zur datenschutzrechtlich unzulässigen Überwachung von Beschäftigten konkretisiert und gestärkt. Im Fokus der Entscheidung stand die Frage, ob und in welchem Umfang Arbeitgeber eine Detektei zur Überwachung von Beschäftigten einsetzen dürfen – und welche rechtlichen Konsequenzen sich ergeben, wenn dies datenschutzwidrig geschieht.

Hintergrund des Verfahrens

Dem Urteil lag der Fall eines Arbeitnehmers zugrunde, der von seinem Arbeitgeber verdächtigt wurde, während einer längeren Arbeitsunfähigkeit einer unzulässigen Nebentätigkeit nachzugehen. Um diesen Verdacht zu überprüfen, beauftragte das Unternehmen eine private Detektei. Über mehrere Tage hinweg wurde der Arbeitnehmer observiert. Dabei zeichneten die Detektive sowohl Bild- als auch Videomaterial auf und fertigten einen ausführlichen Bericht an. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin gegen seinen Arbeitgeber auf Unterlassung der weiteren Überwachung sowie auf immateriellen Schadensersatz wegen eines Datenschutzverstoßes gemäß Art. 82 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Datenschutzrechtliche Bewertung durch das BAG

Das BAG stellte klar, dass die Überwachung durch die Detektei einen gravierenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers darstellt. Der Einsatz einer Detektei sei nur dann rechtmäßig, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschäftigte eine erhebliche Vertragspflichtverletzung begangen hat. Eine bloße Vermutung reicht demnach nicht aus.

Im vorliegenden Fall fehlten solche hinreichenden Verdachtsmomente. Die Beobachtung des Arbeitnehmers war daher unzulässig. Besonders kritisch wertete das BAG den Umstand, dass die Detektei durchgehend Videos angefertigt hatte. Hierdurch sei eine „Rasterung des Tagesablaufs“ erfolgt, die nicht mehr als gelegentliche Beobachtung, sondern als dauerhafte Überwachung zu werten sei. Eine derart intensive Maßnahme ist nur bei außergewöhnlich schwerwiegenden Verdachtsmomenten zulässig – solche lagen hier jedoch nicht vor.

Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Das Urteil unterstreicht, dass Arbeitgeber bei der Beauftragung einer Detektei strengen rechtlichen Maßgaben unterliegen. Vor der Durchführung solcher Maßnahmen ist sorgfältig zu prüfen, ob die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen – insbesondere nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – erfüllt sind. Diese Bestimmung erlaubt eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers überwiegen und keine schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person entgegenstehen.

Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, stellt eine Überwachung einen rechtswidrigen Eingriff dar. In einem solchen Fall hat der überwachte Arbeitnehmer gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO Anspruch auf Schadensersatz auch bei immateriellem Schaden. Entscheidend ist dabei, dass ein tatsächlicher Schaden nicht nachgewiesen werden muss – vielmehr genügt bereits der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte als solcher, um eine Kompensation auszulösen.

Erhebliche Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des BAG hat weitreichende Bedeutung für das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, insbesondere im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten am Arbeitsplatz. Sie klärt wichtige Fragen zum Umfang des Schadensersatzanspruchs nach der DSGVO und zur Reichweite der Datenschutzrechte von Beschäftigten.

Für Arbeitgeber ergibt sich daraus die Pflicht, bei Verdachtsmomenten zunächst mildere Mittel – etwa persönliche Gespräche oder ärztliche Begutachtungen – auszuschöpfen, bevor Maßnahmen wie Observationen veranlasst werden. Der Einsatz einer Detektei ohne hinreichend konkreten Verdacht stellt ein erhebliches rechtliches Risiko dar und kann zu empfindlichen finanziellen Folgen führen, nicht nur durch potenziellen Schadensersatz, sondern auch durch Bußgelder der Datenschutzaufsichtsbehörden.

Arbeitnehmer wiederum sind durch dieses Urteil darin bestärkt, ihre Rechte auf Datenschutz und Privatsphäre geltend zu machen. In Fällen unzulässiger Überwachung können sie sich auf die DSGVO berufen und gerichtliche Schritte einleiten – selbst dann, wenn keine finanziellen Einbußen entstanden sind.

Rechtliche Einordnung und Ausblick

Die aktuelle Entscheidung greift die bisherige Rechtsprechung auf und führt sie im Lichte der europäischen Datenschutzgrundverordnung weiter. Während vor Inkrafttreten der DSGVO Schadensersatzansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen in der Regel nur bei nachweisbarem Schaden in Betracht kamen, stärkt das BAG nun die Rolle des immateriellen Schadensersatzes. Damit schließt sich das höchste deutsche Arbeitsgericht einer zunehmend gerichtsfesten Auslegung der DSGVO an, bei der bereits der Kontrollverlust über personenbezogene Daten oder ein Gefühl des Ausgeliefertseins als schadensträchtig gelten können.

Datenschutzrechtlich relevante Überwachungsmaßnahmen durch Arbeitgeber bleiben somit nur in Ausnahmesituationen zulässig. Das BAG betonte, dass das Interesse an der Aufklärung möglicher Pflichtverletzungen gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers abzuwägen ist. Diese Abwägung ist stets zugunsten des Datenschutzes zu entscheiden, wenn nicht schwerwiegende betriebliche Interessen entgegenstehen und konkrete, objektiv begründbare Verdachtsmomente vorliegen.

In rechtlicher Hinsicht markiert das Urteil einen weiteren Schritt hin zu einer konsequenten Anwendung der Datenschutzgrundverordnung im Arbeitsrecht und stellt die Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern in den Mittelpunkt. Unternehmen sollten ihre internen Verfahren zur Aufklärung von Fehlverhalten entsprechend anpassen und juristisch prüfen lassen, um mögliche Verstöße gegen die DSGVO und daraus resultierende Schadensersatzforderungen zu vermeiden.

Subscribe to ShadowWire

Don’t miss out on the latest issues. Sign up now to get access to the library of members-only issues.
jamie@example.com
Subscribe