Lars Windhorst, Hertha BSC und die Detektei aus Israel
Der Unternehmer Lars Windhorst, ehemaliger Investor beim Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, steht erneut im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Laut einem Bericht der „Jüdischen Allgemeinen“ beauftragte Windhorst im Jahr 2021 die israelische Detektei Shibumi Strategy Limited mit einer umfangreichen Kampagne gegen Werner Gegenbauer, den damaligen Präsidenten des Vereins. Ziel dieser Maßnahme war es demnach, Gegenbauer durch medialen und öffentlichen Druck zum Rücktritt zu bewegen. Die entsprechenden Informationen stammen dem Bericht zufolge aus geleakten Unterlagen, die das bislang verdeckte Ausmaß der Aktivitäten enthüllen.
Hintergrund des Vorgangs ist die zerrüttete Beziehung zwischen Windhorst und Gegenbauer, die im Laufe von Windhorsts Engagement bei Hertha BSC zunehmend Spannungen aufwies. Windhorst war 2019 mit dem Versprechen eingestiegen, durch Investitionen in Millionenhöhe neue sportliche und wirtschaftliche Perspektiven für den Verein zu ermöglichen. Insgesamt soll er rund 375 Millionen Euro in den Klub eingebracht haben. Interne Meinungsverschiedenheiten über strategische Ausrichtungen sowie strukturelle Fragen führten jedoch zu wachsender Entfremdung.
Im Zentrum der aktuellen Enthüllungen steht die Agentur Shibumi Strategy Limited, die laut dem Artikel mit Sitz in Tel Aviv tätig ist. Die Zusammenarbeit mit Windhorst soll über dessen Holding Sapinda erfolgt sein. Kern der Dienstleistung war offenbar eine verdeckte Beeinflussung der Vereinsöffentlichkeit sowie gezielte Stimmungsmache gegen den damaligen Präsidenten Gegenbauer. Die Agentur entwickelte laut den veröffentlichten Materialien über Monate hinweg eine Strategie, um etwa durch anonyme Veröffentlichungen, vermeintlich unabhängige Berichterstattung und soziale Medien den Rückhalt für Gegenbauer zu untergraben.
Ein brisanter Aspekt ist die mutmaßliche Nutzung fingierter journalistischer Formate. So wurde laut dem Bericht unter anderem ein pseudoredaktionelles Online-Magazin gegründet, das scheinbar objektiv über Vorgänge im Berliner Fußball berichtete. Tatsächlich wurden diese Inhalte gezielt erstellt, um eine kritische Wahrnehmung Gegenbauers zu verstärken. Finanziert und gesteuert wurde dies offenbar durch Windhorsts Umfeld. Die Authentizität dieser Angaben wird durch interne Mails und Strategieunterlagen gestützt, die der Redaktion vorliegen sollen.
Windhorst hatte im Oktober 2022 gegenüber der „Zeit“ die Beauftragung einer Detektei bestätigt, gleichzeitig jedoch betont, keine illegale oder unethische Kampagne initiiert zu haben. Die nun veröffentlichten Dokumente werfen die Frage auf, inwieweit dies mit den tatsächlichen Maßnahmen in Einklang zu bringen ist. Rechtlich stellt sich primär das Problem der geschäftsschädigenden Einflussnahme, aber auch mögliche Verstöße gegen datenschutzrechtliche und presserechtliche Vorschriften stehen im Raum, sollten etwa verdeckte Recherchen oder Falschangaben erfolgt sein.
Für Hertha BSC selbst sind die Folgen des Konflikts bereits spürbar gewesen. Gegenbauer trat schließlich im Mai 2022 als Präsident zurück – nach über 14 Jahren an der Vereinsspitze. Der Abgang erfolgte nach einer Phase intensiver interner Konflikte, bei der das Verhältnis zwischen Hauptinvestor und Vereinsführung als instabil beschrieben wurde. In der Folge zog sich auch Windhorst zunehmend aus dem operativen Klubgeschäft zurück, und seine Anteile wurden im März 2023 an das US-amerikanische Unternehmen 777 Partners veräußert.
Die Aktivitäten der Detektei aus Israel werfen darüber hinaus ein Schlaglicht auf eine wachsende Praxis im internationalen Sportbusiness: den Einsatz externer Agenturen zur reputationsbezogenen Einflussnahme. Solche sogenannten „Information Operations“ sind in anderen Kontexten – etwa im Bereich politischer Kampagnen – dokumentiert, im Vereinsfußball jedoch bislang selten öffentlich verhandelt worden. Rechtlich bewegen sie sich in einer Grauzone, solange keine gezielte Falschinformation oder Persönlichkeitsverletzung nachweisbar ist. Die ethische Bewertung fällt indes häufig deutlich kritischer aus.
Die Hertha-Dokumente zeigen laut Bericht auch die tiefe Verschränkung zwischen wirtschaftlichen Interessen von Investoren und den demokratisch verfassten Strukturen traditioneller Sportvereine. Während Kapitalgeber oft auf schnelle Entscheidungen und unternehmerisches Handeln pochen, bestehen in Vereinen wie Hertha BSC weiterhin Mitgliederrechte, Gremienprozesse und öffentliche Debatten. Dieser strukturelle Gegensatz verschärfte sich im Fall Windhorst offenbar derart, dass auf intransparente Maßnahmen zurückgegriffen wurde, um Einfluss zu gewinnen.
Ob rechtliche Konsequenzen aus den nun bekannt gewordenen Vorgängen zu erwarten sind, ist derzeit unklar. Weder vonseiten staatlicher Stellen noch durch den Verein selbst ist bislang öffentlich eine Prüfung angekündigt worden. Für Lars Windhorst bleiben die Berichte dennoch ein weiterer Mosaikstein in einer Reihe geschäftlicher und juristischer Auseinandersetzungen, die in den vergangenen Jahren immer wieder international Schlagzeilen machten. Auch wenn er inzwischen wirtschaftlich nicht mehr bei Hertha BSC engagiert ist, bleibt sein Name eng mit einer Phase tiefer Umwälzungen bei dem Berliner Traditionsklub verbunden.
Die Debatte um Integrität, Einflussnahme und den richtigen Umgang mit Investoren im Fußball dürfte durch die vorliegenden Enthüllungen neuen Auftrieb erhalten. Während sich viele Vereine zunehmend für externe Kapitalgeber öffnen, wächst zugleich das Bewusstsein dafür, dass damit auch neue Risiken und Abhängigkeiten entstehen können. Der Fall Hertha BSC unterstreicht, wie wichtig Transparenz und klare Regelungen im Innenverhältnis von Vereinen und ihren Geldgebern sind – nicht zuletzt, um das Vertrauen der Mitglieder und Öffentlichkeit zu sichern.