Krankgeschrieben auf der Arbeit: Dürfen Unternehmen Krankmeldungen mit einem Detektiv kontrollieren?
Wenn Arbeitnehmer sich krankmelden, sind sie gesetzlich verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorzulegen. Diese dient als Nachweis, dass eine Erkrankung vorliegt und die Arbeitsausübung nicht möglich ist. Doch immer wieder kommt es vor, dass Arbeitgeber Zweifel an der Echtheit einer Krankmeldung hegen – insbesondere dann, wenn krankgemeldete Mitarbeitende sich in der Öffentlichkeit gesund verhaltend zeigen oder ungewöhnlich häufig erkranken. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber private Ermittler einschalten dürfen, um eine Krankmeldung zu überprüfen und womöglich Fehlverhalten festzustellen.
Rechtlicher Rahmen: Recht auf Privatsphäre versus berechtigtes Interesse
Grundsätzlich gilt: Die Einschaltung eines Detektivs zur Überprüfung einer Krankmeldung ist rechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Maßgeblich sind dabei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gemäß Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese Rechte müssen sorgfältig gegen das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung eines möglichen Betrugs abgewogen werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil aus dem Jahr 2015 (Az. VI ZR 554/14) klargestellt, dass eine Überwachung durch einen Detektiv nur dann gerechtfertigt ist, wenn ein konkreter, dokumentierter Verdacht auf ein schwerwiegendes Fehlverhalten besteht – etwa der klare Verdacht, dass die Krankschreibung zur Vortäuschung einer Erkrankung erfolgt ist, beispielsweise um gleichzeitig andere Tätigkeiten auszuüben.
Konkreter Verdacht ist Voraussetzung
Ein vager Verdacht oder ein bloßes Unbehagen reichen nicht aus, um eine verdeckte Überwachung zu rechtfertigen. Arbeitgeber müssen konkrete Anhaltspunkte benennen können, die auf ein pflichtwidriges Verhalten ihrer Angestellten hindeuten. Erst dann dürfen Maßnahmen wie die Einschaltung eines Privatdetektivs erwogen werden.
In einem vielbeachteten Fall, der dem Urteil des BGH zugrunde lag, hatte ein Arbeitgeber einen Detektiv beauftragt, eine Mitarbeiterin zu observieren. Die Arbeitnehmerin hatte sich nach einem Arbeitsunfall längere Zeit krankschreiben lassen. Der Arbeitgeber vermutete, dass sie trotz angeblicher Beschwerden einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehe. Die Observation bestätigte diesen Verdacht nicht. Der BGH entschied jedoch, dass die Maßnahme im konkreten Fall gerechtfertigt war, da der Arbeitgeber über hinreichend konkrete Verdachtsmomente verfügte. Daher lehnten die Richter eine Entschädigung der Arbeitnehmerin wegen der Maßnahme ab.
Grenzen der Überwachung durch Detektive
Obgleich eine gerechtfertigte Überwachung möglich ist, setzt das Gesetz strenge Grenzen für deren Durchführung. So darf ein Detektiv keine Maßnahmen einsetzen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen – etwa heimliches Filmen im privaten Wohnbereich oder das Abhören von Gesprächen. Ebenfalls verboten ist das Ausspähen besonders geschützter Informationen, beispielsweise medizinischer Daten ohne Einwilligung.
Eine Überwachung darf zudem nur für einen begrenzten Zeitraum erfolgen und muss verhältnismäßig sein. Der Zweck der Maßnahme – in diesem Fall der Nachweis eines Betruges – darf nicht auf andere, weniger eingreifende Weise erreichbar sein. Darüber hinaus sind Arbeitgeber gut beraten, datenschutzrechtliche Vorgaben einzuhalten, denn die Verarbeitung personenbezogener Daten unterliegt den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).
Mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen
Ergibt eine rechtmäßig durchgeführte Überwachung, dass tatsächlich ein Missbrauch der Krankmeldung vorliegt – etwa, dass ein Arbeitnehmer während seiner Krankschreibung schwarz arbeitet, eine Urlaubsreise unternimmt oder Veranstaltungen besucht, die im Widerspruch zur behaupteten Arbeitsunfähigkeit stehen –, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Je nach Schwere des Verstoßes sind eine Abmahnung oder sogar eine fristlose Kündigung möglich.
Allerdings genügt nicht jede Aktivität während einer Krankschreibung als Beleg für ein Fehlverhalten. Krankgeschriebene dürfen grundsätzlich ihrer Freizeitgestaltung nachgehen, sofern diese dem Heilungsverlauf nicht entgegensteht. Ein Spaziergang im Park, ein Restaurantbesuch oder Einkäufe sind demnach zulässig. Auch Sport oder Reisen können erlaubt sein, wenn ärztlich keine Einwände bestehen. Es braucht also einen klaren Nachweis, dass das Verhalten des Arbeitnehmers mit der bescheinigten Krankheit nicht vereinbar ist.
Recht auf Schadenersatz bei unrechtmäßiger Überwachung
Wird ein Arbeitnehmer grundlos oder unter Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte überwacht, kann er Schadenersatz geltend machen. Auch ein Schmerzensgeld kommt in Betracht, insbesondere dann, wenn die Überwachung exzessiv oder rechtswidrig durchgeführt wurde. Unternehmen haften in diesem Fall für das Verhalten des eingeschalteten Detektivs, wenn sie diesen beauftragt haben.
Aus diesem Grund sollten Arbeitgeber vor der Beauftragungen eines Ermittlungsdienstes immer sorgfältig dokumentieren, welche konkreten Verdachtsmomente vorliegen, und zudem prüfen, ob mildere Mittel zur Klärung des Sachverhalts in Betracht kommen. Auch die Hinzuziehung eines Arbeitsrechtlers zur Einschätzung der Rechtslage ist ratsam.
Fazit: Einzelfall entscheidet über Zulässigkeit
Die Überprüfung einer Krankmeldung durch einen Detektiv stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers dar und ist daher nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen erlaubt. Entscheidend ist stets der konkrete Einzelfall: Gibt es belastbare Hinweise auf einen möglichen Betrug? Ist die Maßnahme verhältnismäßig und die Durchführung rechtlich abgesichert? Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, kann eine solche Überwachung rechtskonform erfolgen – andernfalls drohen dem Arbeitgeber nicht nur datenschutzrechtliche Sanktionen, sondern auch Schadenersatzforderungen durch die betroffenen Arbeitnehmer.