Keine fristlose Kündigung nach Arbeitszeitbetrug | Recht
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern befasst sich mit den Anforderungen an eine fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs. Das Gericht urteilte, dass eine solche Kündigung nur dann rechtmäßig ist, wenn der Betrugsverdacht hinreichend belegt ist und dem Arbeitnehmer zuvor die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Im verhandelten Fall hielt das Gericht die fristlose Kündigung für unwirksam, da wesentliche Voraussetzungen nicht erfüllt waren.
Hintergrund des Falls
Dem Verfahren lag die Kündigung eines Mitarbeiters zugrunde, dem Arbeitszeitbetrug vorgeworfen wurde. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer vor, in mehreren Fällen falsche Arbeitszeiten dokumentiert zu haben. Daraufhin wurde ihm ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt. Der Beschäftigte erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht und wendete unter anderem ein, dass ihm keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde und die Vorwürfe unbegründet seien.
Urteil des Landesarbeitsgerichts
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt war. Zwar kann ein vorsätzlich falsch dokumentiertes Arbeitszeitverhalten grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen, allerdings müsse dies durch objektive Umstände nachweisbar sein. In dem konkreten Fall seien die Vorwürfe jedoch nicht ausreichend belegt worden.
Das Gericht stellte fest, dass der Arbeitgeber zwar Unstimmigkeiten in den Zeiterfassungen festgestellt hatte, diese aber nicht eindeutig belegten, dass der Arbeitnehmer tatsächlich vorsätzlich zu Unrecht Arbeitszeit geltend gemacht habe. Allein aus widersprüchlichen Angaben lasse sich nicht auf einen vorsätzlichen Betrug schließen. Vielmehr müsse der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitnehmer bewusst falsche Angaben gemacht habe.
Erfordernis einer Anhörung
Besonderes Gewicht legte das Gericht auf die unterlassene Anhörung des Arbeitnehmers. Eine fristlose Kündigung wegen vermeintlichen Fehlverhaltens setzt grundsätzlich voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer zu den Vorwürfen angehört wird. Dies entspricht nicht nur dem Prinzip des fairen Verfahrens, sondern ist auch Bestandteil der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber auf eine Anhörung verzichtet und dem Arbeitnehmer erst mit Zugang der Kündigung von den genauen Vorwürfen in Kenntnis gesetzt. Dieser Umstand wurde vom Gericht als wesentliches Defizit im Verfahren der Kündigung gewertet. Eine nachträgliche Rechtfertigung konnte diesen formalen Mangel nicht heilen.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Abmahnung
Weiter stellte das Gericht fest, dass eine Kündigung – selbst bei nachweislichem Fehlverhalten – immer am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen ist. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn mildere Mittel, wie etwa eine Abmahnung, nicht geeignet erscheinen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Im vorliegenden Fall lag keine einschlägige Abmahnung vor. Da auch keine gravierenden Pflichtverletzungen mit erheblichem Schaden für den Arbeitgeber dargelegt wurden, sah das Gericht keine Veranlassung, eine so weitreichende Maßnahme wie die fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Die fristlose Kündigung sei damit unverhältnismäßig gewesen und verletzte die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen ein sofortiger Ausschluss aus dem Beschäftigungsverhältnis möglich ist. Dies gelte selbst dann, wenn man einen begründeten Verdacht annehme, der jedoch nicht abschließend bewiesen werden konnte.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht die rechtlich hohen Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung wegen Arbeitszeitmanipulation. Arbeitgeber müssen im Falle eines vermuteten Fehlverhaltens zunächst umfassend ermitteln, den betroffenen Arbeitnehmer anhören und sicherstellen, dass eine Kündigung nicht durch mildere Maßnahmen ersetzt werden kann. Die Pflicht zur vorherigen Abmahnung stellt dabei ein wesentliches Kriterium im Rahmen der arbeitsrechtlichen Verhältnismäßigkeit dar.
Darüber hinaus unterstreicht das Urteil, dass bloße Verdachtsmomente – selbst wenn sie sich aus internen Kontrollmechanismen wie elektronischen Zeiterfassungssystemen ergeben – nicht ohne weitere Beweise ausreichen, um die außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters zu stützen.
Fazit
Eine fristlose Kündigung aufgrund von Arbeitszeitbetrug ist nur dann rechtlich haltbar, wenn das Fehlverhalten zweifelsfrei nachgewiesen ist, eine Anhörung des Arbeitnehmers erfolgt ist und mildere Mittel nicht in Betracht kommen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern mahnt zur Sorgfalt bei der arbeitsrechtlichen Bewertung von potenziellem Fehlverhalten am Arbeitsplatz. Arbeitgeber sind gut beraten, Verdachtsmomente sorgfältig zu prüfen, formale Anforderungen einzuhalten und die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen rechtlich korrekt zu bewerten.