Keine fristlose Kündigung nach Arbeitszeitbetrug | Recht

Keine fristlose Kündigung nach Arbeitszeitbetrug | Recht

Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt beleuchtet die arbeitsrechtlichen Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Arbeitszeitordnung. Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit manipuliert, indem er sich im Zeiterfassungssystem einloggte und danach wieder das Betriebsgelände verließ, ohne tatsächlich zu arbeiten. Der Arbeitgeber hatte daraufhin eine außerordentliche, fristlose Kündigung ausgesprochen. Das Gericht erkannte darin jedoch keinen ausreichenden Grund für eine solche Maßnahme.

Keine Täuschungsabsicht nachweisbar

Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass ein Kündigungsgrund zwar grundsätzlich vorliegen könne, wenn ein Mitarbeiter bewusst fehlerhafte Zeitaufzeichnungen einreicht oder durch rechtswidriges Verhalten Arbeitszeit vorgibt, die er nicht geleistet hat. Im konkreten Fall konnte dem Arbeitnehmer jedoch keine ausdrückliche Täuschungsabsicht nachgewiesen werden. Er hatte sich zwar an mehreren Tagen in das elektronische Zeiterfassungssystem eingeloggt, danach aber den Arbeitsplatz verlassen, unter anderem während der Gleitzeit oder an angeblich genehmigten Urlaubstagen. Der Mitarbeiter selbst gab an, davon ausgegangen zu sein, dass für diesen Zeitraum bereits Urlaub genehmigt war bzw. die Gleitzeitregelungen dies deckten.

Das Gericht hielt es daher für möglich, dass der Arbeitnehmer zumindest im subjektiven Sinne davon überzeugt war, sich im Rahmen der betrieblichen Regelungen zu bewegen, auch wenn objektiv ein Verstoß gegen die Arbeitszeitrichtlinien erkennbar war. Aufgrund fehlender Beweise für eine vorsätzliche Täuschung wurde die Kündigung als unverhältnismäßig eingestuft.

Abmahnung als milderes Mittel

Besonders betont wurde durch die Richter, dass dem Arbeitgeber ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden hätte: Eine Abmahnung. Diese sei im Falle eines erstmaligen Verstoßes in der Regel ausreichend, um dem Arbeitnehmer das Fehlverhalten aufzuzeigen und ihm die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten künftig anzupassen. Eine fristlose Kündigung sei daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Vertrauensbruch so schwerwiegend sei, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheine.

Auch der Umstand, dass der Arbeitgeber zwischen der Kenntnis des Vorfalls und dem Ausspruch der Kündigung mehrere Wochen verstreichen ließ, wirkte sich nachteilig auf die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung aus. Das Landesarbeitsgericht wies darauf hin, dass eine fristlose Kündigung „unverzüglich“ erfolgen müsse – in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes gem. § 626 Abs. 2 BGB. Wird diese Frist überschritten, kann die Kündigung allein deshalb unwirksam sein.

Einzelfall-Entscheidung mit begrenzter Signalwirkung

Obwohl das Urteil zugunsten des Arbeitnehmers ausfiel, stellt das Gericht klar, dass Verstöße gegen die Arbeitszeiterfassung im Allgemeinen durchaus geeignet sein können, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Voraussetzung hierfür sei jedoch stets eine sorgfältige Prüfung der Umstände im Einzelfall. Insbesondere müsse eine vorsätzliche und schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegen, aus der ein erheblicher Vertrauensverlust resultiert.

Im vorliegenden Fall fehle es an einem solchen Vertrauensverlust, da keine konkrete Täuschungsabsicht und keine systematische Manipulation nachgewiesen werden konnten. Hinzu komme, dass die interne betriebliche Kommunikation über Urlaubs- und Gleitzeitregelungen nicht eindeutig gewesen sei, was die Orientierung des Arbeitnehmers zusätzlich erschwert habe.

Auswirkungen für Arbeitgeber

Das Urteil macht deutlich, dass Arbeitgeber bei Verstößen gegen die Zeiterfassung zunächst das Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter suchen und abwägen sollten, ob eine Abmahnung nicht das verhältnismäßigere Mittel sein könnte. Eine fristlose Kündigung ist nur in Ausnahmefällen und bei eindeutigem Nachweis vorsätzlichen Fehlverhaltens zulässig. Unternehmen sind daher gut beraten, betriebliche Regelungen klar, transparent und nachvollziehbar zu gestalten, insbesondere in Bezug auf elektronische Zeiterfassung, Gleitzeit und Urlaubsgenehmigungen.

Zudem sollten Vorgesetzte den Umgang mit der Zeiterfassung regelmäßig überprüfen und dokumentieren, um im Konfliktfall belastbare Grundlagen für arbeitsrechtliche Entscheidungen zu haben. Eine schriftliche Genehmigung von Urlaub und exakte Protokollierung von Arbeitszeit und Fehlzeiten gehören ebenso dazu wie eine konsequente Anwendung der internen Richtlinien auf alle Mitarbeitenden.

Fazit

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt unterstreicht, dass arbeitsrechtliche Sanktionen stets verhältnismäßig sein müssen. Selbst bei festgestellten Unregelmäßigkeiten in der Arbeitszeiterfassung darf ein Arbeitgeber nicht vorschnell zur fristlosen Kündigung greifen, wenn mildere Mittel wie eine Abmahnung zur Verfügung stehen und keine gravierende Pflichtverletzung vorliegt. Für Arbeitgeber ergibt sich daraus die Pflicht, bei entsprechenden Vorfällen nicht nur die objektiven Tatsachen, sondern auch die subjektive Sichtweise des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen.

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