«Ich verurteile keinen Fremdgeher», sagt ein Privatdetektiv, der Untreue aufdeckt
Der Beruf eines Privatdetektivs ist oft von Klischees und medialer Überzeichnung geprägt. Doch die Realität hinter dem Berufsalltag ist weit differenzierter. Ein Schweizer Privatdetektiv, der sich auf die Aufdeckung von Untreue in Partnerschaften spezialisiert hat, gewährt Einblick in seine Arbeit – und überrascht mit einer ungewohnten Haltung: «Ich verurteile keinen Fremdgeher.»
Dieser nüchterne Satz stammt von einem erfahrenen Ermittler, der jährlich Hunderte Observationen durchführt, um Gewissheit über den Verdacht von Untreue zu bringen. Seine Arbeit besteht einerseits aus diskreter Beobachtung des Verdächtigen, andererseits aus Gesprächen mit der auftraggebenden Person, meist dem betrogenen Partner oder der betrogenen Partnerin. Doch obwohl die Fakten oft für sich sprechen, sieht es der Privatdetektiv nicht als seine Aufgabe an, moralisch zu urteilen.
Diskretion als oberstes Gebot
Die rechtlichen Grundlagen für die Tätigkeit von Privatdetektiven in der Schweiz sind eng gefasst. Observationen im öffentlichen Raum sind erlaubt, solange sie nicht in das Persönlichkeitsrecht eingreifen. Die Grenze ist juristisch dort gezogen, wo eine gezielte Überwachung zu einer Persönlichkeitsverletzung führen könnte – zum Beispiel durch Überwachung in privaten Räumen oder mit versteckten Kameras. Entsprechend strikt achtet der Ermittler aus dem Interview darauf, die geltenden Regeln einzuhalten. Auch versteckte GPS-Tracker, die über das hinausgehen, was rechtlich als «verhältnismässig» gilt, lehnt er strikt ab.
Stattdessen setzt er auf klassische Mittel der Observation: körperliche Präsenz, Geduld und genaue Dokumentation. In der Regel gehe es auch nicht darum, jemanden in flagranti zu erwischen, sondern Verhaltensmuster objektiv zu belegen. So etwa, wenn der Partner angeblich länger arbeitet, tatsächlich aber regelmäßig in Begleitung einer anderen Person in ein Hotel geht. Solche Muster werden fotografisch dokumentiert und später in Berichten zusammengetragen. Diese werden so erstellt, dass sie auch vor Gericht Bestand haben könnten – wenn der Auftraggeber sie dort verwenden möchte.
Emotionale Dimension der Aufträge
Fremdgehen ist keine Straftat – das betont der Detektiv mehrfach. Dennoch sind die emotionalen Folgen immens. Wer einen Detektiv engagiert, will meist keine Beweise fürs Gericht, sondern für sich selbst. "Die Leute brauchen Gewissheit", sagt der Ermittler. Im Falle eines Verdachts auf Untreue betrete man oft eine Grauzone zwischen Misstrauen und Selbstzweifeln. Der Wunsch, sich der eigenen Wahrnehmung sicher zu sein, sei ein starker Antrieb für viele Auftraggeberinnen und Auftraggeber.
Die Reaktionen nach Übermittlung der Ergebnisse sind unterschiedlich. Manche Auftraggebenden seien erleichtert, wenn sich eine Vermutung nicht bestätige. Andere wiederum würden trotz klarer Hinweise weiter an der Beziehung festhalten. Der Detektiv beschreibt sich hierbei auch als Vermittler, der emotional unterstützt und daraus resultierende Gespräche vorbereitet. Eine empathische, jedoch stets professionelle Haltung ist ihm wichtig.
Neutralität trotz persönlicher Nähe
Der Detektiv betont, dass er sich strikt aus moralischen Bewertungen heraushält. Sein Ziel sei nicht, eine Beziehung zu zerstören, sondern Wahrheit zu liefern. Es sei nicht seine Aufgabe, die Motive für das Fremdgehen zu beurteilen. Oft steckten komplexe Gründe dahinter: emotionale Vernachlässigung, fehlende Kommunikation oder schlichtweg Überforderung. Gerade deshalb lehnt er es ab, seine Zielpersonen zu verurteilen – selbst wenn deren Verhalten objektiv verletzend ist.
In manchen Fällen kommt es sogar vor, dass sich Klienten nach Abschluss des Falls für den Erhalt der Partnerschaft entscheiden. Dann werden Maßnahmen wie Paartherapie oder offene Gespräche auf den Weg gebracht – manchmal auch mit dem Detektiv als neutraler Dritter im Hintergrund. Das Ziel ist nicht zwingend die Trennung, sondern oft Klarheit über die nächsten Schritte.
Legalität und berufliches Selbstverständnis
In der Schweiz ist die Arbeit von Privatdetektiven nur bedingt geregelt. Es gibt keine nationale Zulassungspflicht, was bedeutet, dass sich theoretisch jeder als Detektiv ausgeben kann. Allerdings unterliegen sie dennoch den allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa im Datenschutzrecht und Persönlichkeitsschutz. Zudem sind sie zivilrechtlich haftbar, wenn ihre Recherchen unrechtmässig sind oder Schaden anrichten. Seriöse Berufsvertreter achten daher genau auf Legalität und Professionalität. Der Detektiv im Interview sieht sich als Dienstleister – nicht als Gesetzeshüter oder Richter.
Besondere Sensibilität zeigt sich auch im Umgang mit den involvierten Personen. Diskretion sei oberstes Gebot, betont er. Weder werden Gespräche belauscht noch Fotos veröffentlicht. "Ich arbeite im Hintergrund, nicht im Rampenlicht", sagt er. Die gesammelten Informationen bleiben im vertraulichen Rahmen des Auftraggebers und dürfen ohne Einwilligung nicht weiterverwendet werden – eine Pflicht, die datenschutzrechtlich ebenfalls verankert ist.
Beruf mit Belastungspotenzial
Der Beruf des Detektivs ist körperlich wie psychisch fordernd. Observationen können viele Stunden, manchmal Tage dauern. Der Detektiv verbringt viel Zeit allein im Wagen, wartet auf relevante Hinweise – oft vergeblich. Dazu kommen emotionale Belastungen, wenn es zur Konfrontation oder zum Vertrauensbruch kommt. Nicht selten wird er mit Weinkrämpfen, Vorwürfen oder Zusammenbrüchen konfrontiert. Doch er betont: "Ich bin kein Psychologe. Ich kann nur dokumentieren, was ist."
Abschließend macht der Ermittler klar, dass Untreue oft nur der sichtbare Teil eines tieferliegenden Problems in der Beziehung sei. Seine Aufgabe sieht er nicht darin, Schuldige zu entlarven, sondern dabei zu helfen, Klarheit zu schaffen. Diese nüchterne Herangehensweise verlangt neben Fachwissen auch eine hohe emotionale Intelligenz – und die Fähigkeit, sich von moralischen Urteilen fernzuhalten. So erklärt sich wohl auch seine Haltung: «Ich verurteile keinen Fremdgeher.»