«Ich verurteile keinen Fremdgeher», sagt ein Privatdetektiv, der Untreue aufdeckt

«Ich verurteile keinen Fremdgeher», sagt ein Privatdetektiv, der Untreue aufdeckt

Untreue ist ein sensibles Thema, das viele private Beziehungen belastet. In der Schweiz, wie auch in anderen Ländern, kann sie nicht nur emotionale, sondern auch rechtliche Folgen nach sich ziehen – etwa im Zusammenhang mit Scheidungsverfahren. Dabei kommen nicht selten Privatdetektive zum Einsatz, die diskret Hinweise auf Ehebruch oder außereheliche Beziehungen sammeln. Einer dieser Ermittler ist Andreas Keller (Name geändert), der gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung Einblicke in seine Arbeit gewährte. Sein kontroverses Statement: «Ich verurteile keinen Fremdgeher.»

Seit über zehn Jahren ist Keller als Privatdetektiv tätig und spezialisiert sich auf die Aufklärung von Untreue. Dabei begleitet er etwa 70 bis 80 Fälle pro Jahr. Seine Aufträge erhält er hauptsächlich von Ehepartnerinnen und Ehepartnern, die Zweifel hegen – sei es aufgrund von verändertem Verhalten, wiederholtem nächtlichen Fernbleiben oder anderen Indizien. Der klassische Ausgangspunkt ist laut Keller öfter eine Intuition denn ein konkreter Beweis.

Die Beweissicherung erfolgt mit legalen Mitteln: Beobachtungen aus dem öffentlichen Raum, Foto- und Videoaufnahmen oder dokumentierte Tagesabläufe des Verdächtigten. Im Gegensatz zu typischen Klischees über Schattenmänner agieren Schweizer Privatdetektive nach strengen gesetzlichen Vorgaben. So ist das Ausspähen mit technischen Mitteln – etwa das Anbringen von GPS-Trackern am Auto – in der Schweiz ohne richterliche Genehmigung unzulässig. Auch das heimliche Abhören von Gesprächen oder das Fotografieren in Privaträumen wäre strafbar und hätte nicht nur zivilrechtliche, sondern unter Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen.

Gemäß Keller liegt der Fokus seiner Arbeit auf der diskreten und zugleich sachlichen Aufklärung. Persönliche Moralvorstellungen spielen für ihn keine Rolle: «Ich bin nicht dafür da, Menschen zu beurteilen, sondern Fakten zu liefern.» Dieser objektive Ansatz sei auch essenziell, wenn es um eventuell gerichtsverwertbare Hinweise geht. Die gesammelten Beweise kommen bei Trennungen und Scheidungen zwar nur in begrenztem Umfang zum Tragen – in der Schweiz gilt das Verschuldensprinzip bei der Scheidung nicht – doch können sie etwa Einfluss auf die Frage der Unterhaltszahlungen oder auf das Sorge- und Besuchsrecht haben, vor allem wenn Kinder betroffen sind.

Die emotionale Komponente sei dennoch nicht zu unterschätzen. Viele Klientinnen und Klienten suchten weniger den juristischen Vorteil als vielmehr Gewissheit. «Oft geht es darum, den inneren Frieden wiederzufinden», so Keller. Die Unsicherheit über die Loyalität des Gegenübers sei eine erhebliche psychische Belastung. Manche Auftragsgeber entschieden sich nach Vorlage der Beweise für eine Aussprache oder Paartherapie, andere leiteten umgehend rechtliche Schritte ein. Für Keller endet der Auftrag in der Übergabe des Berichts. Ob sich ein Paar trennt oder versöhnt, liegt nicht in seiner Verantwortung.

Interessanterweise stellt Keller fest, dass Frauen und Männer in etwa gleich häufig seine Dienste in Anspruch nehmen. Das Klischee des eifersüchtigen Ehemanns oder der überwachenden Ehefrau sei zu einfach gedacht. Vielmehr gebe es in beiden Geschlechtern ein starkes Bedürfnis nach Klarheit – nicht selten erst nach Jahren des Verdachts. Besonders in Ballungszentren wie Zürich, Basel oder Bern sei die Nachfrage nach diskreten Observationen gestiegen. Zudem spielen soziale Medien eine immer größere Rolle: Verdächtige Kommunikation über Messenger-Apps oder zweideutige Beiträge in sozialen Netzwerken würden oft den Ausschlag geben, einen Detektiv zu engagieren.

Juristisch bewegt sich der Beruf auf einem schmalen Grat. Zwar dürfen Privatdetektive beobachten und dokumentieren, jedoch keine formellen polizeilichen Befugnisse ausüben. Auch das Datenschutzrecht setzt enge Grenzen. Die Schweizer Gesetzgebung gewährt Bürgerinnen und Bürgern hohe Schutzrechte in Bezug auf ihre Privatsphäre. Keller ist sich dessen bewusst: «Wir müssen jederzeit in der Lage sein, unsere Methoden rechtlich zu begründen. Ein Schritt zu weit, und die Beweise sind wertlos – oder wir machen uns strafbar.»

Auch aus ethischer Sicht ist der Einsatz von Beobachtungsmethoden nicht unumstritten. Kritikerinnen und Kritiker sehen in der Überwachung durch Detektive einen Eingriff in die persönliche Freiheit und betonen, dass Vertrauensbrüche besser auf kommunikativer Ebene gelöst werden sollten. Keller begegnet diesen Vorwürfen mit Pragmatismus. Er sehe sich nicht als Teil des Problems, sondern als neutraler Dienstleister, der Klarheit schaffe. Seine Maxime sei dabei stets die Verhältnismäßigkeit: «Ich greife nicht in das Leben der Menschen ein – ich dokumentiere, was ohnehin geschieht.»

Der berufliche Alltag eines Detektivs besteht jedoch nicht nur aus Observationen mit Kameraausrüstung im Mantel. Vielmehr gehört auch umfangreiche Recherchearbeit dazu: Adressverfolgungen, das Abgleichen von Terminen, das Prüfen von Bewegungsprofilen anhand öffentlich zugänglicher Informationen. Diskretion und Datenschutz seien immer oberstes Gebot. Persönliche Gespräche mit den Auftraggeberinnen und -gebern seien ebenso Teil der Arbeit – oft gehe es dabei um emotionale Entlastung und Informationsvermittlung über mögliche rechtliche Schritte.

Für Keller ist die Tatsache, dass Menschen fremdgehen, kein Aufreger. «Untreue gab es schon immer und wird es immer geben», sagt er nüchtern. Die Motive seien vielfältig – emotionale Vernachlässigung, Lebenskrisen oder schlicht Gelegenheit. Entscheidend sei jedoch der Umgang damit. Sein Ansatz ist pragmatisch und nüchtern. «Ich habe kein Interesse an Schuld. Mir geht es um Wahrheit.»

Damit bleibt der Beruf in einem Spannungsfeld zwischen Wahrheitsfindung und Eingriff in die Privatsphäre – zwischen emotionalen Entscheidungen und rechtlichen Grenzen. Während die Gesellschaft zunehmend über individuelle Freiheit und Selbstbestimmung diskutiert, bleibt der Einsatz von Privatdetektiven ein Werkzeug, um im Einzelfall Licht in persönliche Dunkelkammern zu bringen. Ohne Urteil – aber mit Konsequenz.

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