"Ich und Tod Detektei" von Patrick Wirbeleit und Matthias Lehmann: Der Sensenmann hat ein Problem
„Ich und Tod Detektei“ ist der Titel einer neuen Graphic Novel des Autorenduos Patrick Wirbeleit und Matthias Lehmann. Das Buch kombiniert humorvolle Detektivgeschichte mit ernsten Fragen nach Leben und Tod – in einem ungewöhnlich kindgerechten, aber keineswegs banalen Format. Mit dem bekannten Sensenmann als Figurenkopf wirft die Geschichte einen neuen Blick auf moralische Verantwortung, Ängste und den Umgang mit Unausweichlichem.
Im Zentrum der Handlung steht ein eigenwilliges Ermittlerduo: der Tod höchstpersönlich – ausgestattet mit Mantel, Sense und mürrischer Miene – und der junge Protagonist namens Max. Nachdem Max den Tod zufällig trifft, beginnen die beiden gemeinsam, mysteriöse Vorfälle zu untersuchen. Diese ungewöhnliche Partnerschaft entspinnt ein klassisches Detektivnarrativ mit übernatürlichem Einschlag. Dabei bleiben die klassischen Elemente des Genres nicht auf der Strecke, sondern erhalten eine komische Überhöhung durch die Figur des Todes, der trotz seiner Funktion als kosmisches Prinzip erstaunlich viel alltagspraktische Tapsigkeit aufweist.
Patrick Wirbeleits Hintergrund in Kinderbüchern wie etwa „Kiste“ spiegelt sich im leichtfüßigen Erzählstil wider. Trotzdem nimmt die Geschichte ihr Publikum ernst. Sie balanciert geschickt zwischen humorvollen Dialogen und existenziellen Fragen. Das Thema Tod wird hier nicht ausgespart oder kindlich verharmlost, sondern auf eine Weise verhandelt, die Empathie und Nachdenklichkeit ermöglicht, ohne pädagogisch zu wirken. Der Tod, sonst oft nur als düstere Randfigur dargestellt, erhält eine komplexere, fast schon menschliche Dimension. Seine Probleme, seine Zweifel und seine persönliche Entwicklung stehen im Zentrum der Charakterzeichnung.
Der Fokus liegt nicht nur auf skurrilen Fällen. Die Graphic Novel nutzt das Detektivgenre als erzählerischen Rahmen, um einfühlsam Fragen nach Schuld, Gerechtigkeit und Mitgefühl zu stellen. Max, als junger Sympathieträger, gibt dem Leser einen emotionalen und nachvollziehbaren Zugang zu den teils düsteren Themen. Es ist gerade diese Dialektik zwischen scheinbarer Heiterkeit und philosophischer Tiefe, welche die Geschichte zu einem bemerkenswerten Leseerlebnis macht.
Matthias Lehmanns Illustrationen unterstützen diese doppelbödige Erzählweise. Sein Zeichnungsstil verbindet reduzierte Kompositionen mit subtilen Details, die eine gekonnte Balance zwischen Witz und Ernsthaftigkeit halten. Die Farbgebung bleibt überwiegend gedeckt, was atmosphärisch zur Thematik passt und dennoch eine freundliche Lesbarkeit bewahrt. Besonders auffällig sind Lehmanns Figurenzeichnungen: Der Tod hat trotz stilisierter Skeletthaftigkeit ein bemerkenswert nuanciertes Mienenspiel, das seine eher philosophischen Seiten betont. Auch Max ist kein bloßes Kindchenschema, sondern wirkt als glaubwürdiger und neugieriger Charakter mit eigenen Ängsten und Stärken.
Die dialogische Struktur zwischen Max und dem Tod nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Während klassische Detektivgeschichten oft auf Spannung und Überraschung setzen, liegt der Reiz hier auch im fortlaufenden Austausch beider Figuren. Es entsteht eine Art philosophischer Dialog über Leben und Verlust, der nicht belehrend, sondern impulsgebend wirkt. Die Fragen, die Max stellt – und die der Tod oft nur unwillig oder ausweichend beantwortet – sind dabei archetypisch. Sie drehen sich um Schuld und Verzeihen, um Endgültigkeit und Neuanfang. Die Antworten bleiben bewusst offen oder ambivalent. Diese Zurückhaltung macht die Geschichte besonders geeignet für junge Leser, die sich mit solchen Fragen zum ersten Mal auseinandersetzen.
Darüber hinaus ist „Ich und Tod Detektei“ auch eine Hommage an das Medium der Graphic Novel. Der Wechsel von ernsten Szenen zu leichtfüßigen Sequenzen, die sich fast slapstickartig geben, zeigt das große erzählerische Potenzial sequentieller Bildgeschichten. Szenen mit rein visueller Dramaturgie – etwa dann, wenn der Tod wortlos in einem Hausflur sich selbst begegnet – zeigen, wie nonverbale Bildsprache emotionale Tiefe erzeugen kann, ohne in Pathos zu verfallen.
Juristisch betrachtet handelt es sich bei dieser Veröffentlichung um ein fiktionales Werk, das unter den Schutz der Kunstfreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz fällt. Inhaltliche Bezüge zur Realität sind abstrahiert oder allegorisch gefasst. Die Darstellung des Todes als handelnde Figur bewegt sich im traditionsreichen Bereich der literarischen und bildkünstlerischen Personifizierung abstrakter Konzepte. Damit folgt das Werk einer langen erzählerischen Tradition, die keinen Anlass zu rechtlicher Beanstandung gibt. Auch im Hinblick auf die Darstellung von Kindern im Zusammenhang mit dem Tod wird ein reflektierter, auf Empathie und Vermittlung angelegter Zugang gewählt, der mit dem Kinder- und Jugendschutz im Einklang steht.
Fazit: „Ich und Tod Detektei“ ist ein bemerkenswert eigenständiger Beitrag zur deutschsprachigen Kinder- und Jugendcomicliteratur. Die Verbindung von Detektivgeschichte, philosophischer Reflexion und visuellem Erzähltalent macht das Werk von Patrick Wirbeleit und Matthias Lehmann zu mehr als einem kuriosem Genreexperiment. Es lädt junge wie ältere Leser dazu ein, sich mit einem unausweichlichen Thema auseinanderzusetzen – einfühlsam, humorvoll und durchaus unterhaltsam. Dass dabei weder moralisiert noch simplifiziert wird, ist eine der großen Stärken dieses ungewöhnlichen Buches.