Hannover: So hilft ein DNA-Detektiv bei der Suche nach leiblichen Eltern

Hannover: So hilft ein DNA-Detektiv bei der Suche nach leiblichen Eltern

In Hannover und der weiteren Region führt ein gelernter Feinmechaniker ein ungewöhnliches Berufsleben: Peter Stadler (Name geändert) ist DNA-Detektiv. Mit Hilfe genetischer Abstammungsanalysen unterstützt er Menschen dabei, ihre biologischen Eltern oder nahen Verwandten zu finden. Seine Tätigkeit bewegt sich dabei in einem rechtlich sensiblen Bereich, der durch das deutsche Gendiagnostikgesetz und den Datenschutz eingeschränkt wird. Doch innerhalb dieser Grenzen hilft Stadler zahlreichen Personen auf der Suche nach ihrer Identität – datenbasiert, diskret und mit wachsender Relevanz in Zeiten zunehmender Online-Genealogie.

Die Dienstleistung basiert auf Daten aus sogenannten Direct-to-Consumer-DNA-Tests, also genetischen Selbsttests, die privat über internationale Firmen bestellt und zu Hause angewendet werden. In Deutschland ist deren Marketing zwar durch das Gendiagnostikgesetz stark eingeschränkt, bestellt werden können die Kits jedoch auf eigene Verantwortung. Viele Kunden schicken ihre DNA-Probe dann an Anbieter wie MyHeritage, Ancestry oder 23andMe, die eine genetische Verwandtschaftsanalyse durchführen.

Auf diesen Plattformen setzen Stadler und andere DNA-Detektive an. Wird eine Verwandtschaftsverbindung entdeckt, etwa zu einem Cousin zweiten Grades, beginnt die manuelle Recherche. Stadler durchsucht öffentliche genealogische Datenbanken und soziale Netzwerke, durchforstet Geburtsregister und alte Adressdaten, manchmal unter Einbeziehung von Crowdsourcing-Projekten oder Freiwilligen in Genealogie-Foren.

Ziel ist es, anhand der DNA-Verwandtschaftsverhältnisse und biografischer Hinweise die biologische Abstammung zu rekonstruieren. In der Praxis geht es häufig um adoptierten Nachwuchs oder sogenannte „Kuckuckskinder“ – Menschen, deren soziale Väter nicht ihre biologischen Väter sind. Auch ältere Personen, die durch Zufall erfahren, dass sie als Kind vertauscht wurden oder in der Nachkriegszeit illegal adoptiert wurden, wenden sich an den DNA-Detektiv.

Der rechtliche Rahmen für diese Tätigkeit ist eng gesteckt. In Deutschland ist es laut § 17 des Gendiagnostikgesetzes verboten, Abstammungstests ohne ausdrückliche Einwilligung aller Beteiligten durchzuführen. Auch dürfen kommerzielle Anbieter keine Werbung für solche Tests machen. Stadler bewegt sich in einer Grauzone: Er führt keine eigenen Tests durch, sondern hilft lediglich bei der Auswertung von bereits vorliegenden Daten.

Der Schutz der Persönlichkeitsrechte spielt dabei eine zentrale Rolle. Er kontaktiert mögliche Verwandte nie unaufgefordert oder gibt deren Daten an Dritte weiter. Stattdessen stellt er seinem Auftraggeber Informationen zur Verfügung, mit denen dieser – unter Wahrung der Privatsphäre – selbst entscheiden kann, ob und wie er weitere Schritte unternimmt.

Ein zentrales ethisches Dilemma ist der Umgang mit unerwarteten Ergebnissen. „Manche entdecken plötzlich, dass der bisher bekannte Vater gar nicht der leibliche ist oder dass es Halbgeschwister gibt“, sagt Stadler. Er weist seine Klientinnen und Klienten frühzeitig auf solche Eventualitäten hin und empfiehlt begleitend psychologische Beratung, wenn notwendig. Die emotionale Tragweite solcher Erkenntnisse sollte nicht unterschätzt werden, auch wenn für viele Ratsuchende das Wissen um die eigene Herkunft befreiend wirkt.

Die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen wächst. Weltweit haben bereits mehr als 30 Millionen Menschen DNA-Tests zur genealogischen Analyse durchgeführt. Auch in Deutschland steigt laut Beobachtern die Zahl derer, die über Plattformen wie MyHeritage oder Ancestry die eigene Familie genetisch erkunden. Peter Stadler berichtet von einer zunehmenden Zahl an Anfragen, insbesondere durch jüngere Menschen oder Elternteile, die für ihre Kinder Informationen über die leibliche Herkunft suchen.

Neben der persönlichen Motivation spielen dabei auch medizinische Gründe eine Rolle. Wer seine genetische Abstammung kennt, kann potenzielle Veranlagungen für bestimmte Erbkrankheiten besser einschätzen und ärztliche Prävention passender planen. Dies darf in Deutschland jedoch nicht ohne ärztliche Aufklärung erfolgen, was zusätzliche rechtliche Hürden darstellt.

Stadler sieht seine Tätigkeit daher eher als lebensbiografische Hilfe. „Ich möchte Menschen Antworten geben, wenn sie selbst entscheiden, diesen Weg zu gehen“, sagt er. Für viele sei die Suche nach der leiblichen Herkunft eine Frage der Identität – ein Bedürfnis, das er mit digitaler Detektivarbeit zu stillen versucht. Nicht jeder Fall endet mit einem Erfolg, denn manchmal reichen Datenlage und Verbindungen nicht aus. Doch selbst in diesen Situationen können Fragmente von Informationen helfen, ein persönliches Bild zu vervollständigen.

In der deutschen Rechtsprechung unterliegt die Frage nach dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung seit Jahren einem Wandel. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1989 betont, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft eine Facette des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei. Seitdem wurden insbesondere für Kinder, die durch Samenspende oder anonyme Adoption geboren wurden, Möglichkeiten geschaffen, ihre biologische Abstammung zu erfahren – allerdings nicht ohne Hürden und nicht immer mit rechtlicher Durchsetzbarkeit.

Der Einsatz von DNA-Analysen bewegt sich daher an der Schnittstelle zwischen technischer Machbarkeit, rechtlichen Rahmenbedingungen und ethischer Verantwortung. Detektive wie Peter Stadler operieren in diesem Spannungsfeld – hilfreich für die einen, kritisch gesehen von anderen. Doch solange die Nachfrage nach Antworten zur eigenen Herkunft wächst, bleibt der DNA-Detektiv eine gefragte, wenn auch diskret agierende Figur in einer digitalisierten Gesellschaft, die zunehmend genealogisches Wissen verfügbar macht.

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