Haftung, Deckung, Restrisiko – Versicherungen als letzte Verteidigungslinie
Es klingt trocken, ist aber existenziell: Haftpflicht, Vermögensschaden-Haftpflicht, Cyberdeckung, Rechtsschutz. Versicherungen sind in der Detekteibranche nicht das Beiwerk, sie sind der Teil des Operativen, der greift, wenn die Welt schief steht. Und schief steht sie schneller, als viele glauben. Ein falsch adressierter Bericht mit sensiblen Daten. Ein Datenträger, der im Versand verloren geht. Eine Observation, bei der in Hektik eine Delle am Nachbarfahrzeug entsteht. Eine Gegenseite, die behauptet, durch eine „überzogene“ Maßnahme sei ein Prozess verloren worden und nun stünden Schadenersatzforderungen im Raum. Wer da mit Alibi-Policen arbeitet, spielt russisches Roulette.
Die Betriebshaftpflicht deckt Sach- und Personenschäden. Sie ist Pflicht – und oft unzureichend, wenn sie nicht auf die Spezifika der Arbeit zugeschnitten ist. Observation bedeutet Nähe zum Verkehr, Nähe zu Dritten, Nähe zu Situationen, in denen Hektik Sachschaden erzeugt. Pauschalpolicen mit niedrigen Deckungen sind Illusionen der Sparsamkeit. Relevanter – und oft vergessen – ist die Vermögensschaden-Haftpflicht. Sie greift, wenn behauptet wird, ein Fehler in der Arbeit habe zu finanziellem Schaden geführt: ein Verfahren, das wegen Unverwertbarkeit „verloren“ ging, eine Geschäftschance, die vertan sei. Ob solche Ansprüche berechtigt sind, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend ist: Ohne Deckung muss man sie allein abwehren. Mit Deckung verhandelt man auf festem Boden.
Im digitalen Raum lauert die nächste Lücke: Cyberversicherungen, die nicht für Hacker-Märchen da sind, sondern für banale Realität. Ransomware trifft auch kleine Büros; Phishing nimmt niemanden aus; ein gestohlenes Notebook ist nicht nur Hardwareverlust, sondern ein Datenschutzvorfall mit Meldepflicht, Anwalt, Kommunikation, potenziell Bußgeld. Eine solide Cyberdeckung verlangt jedoch Vorarbeit: Mindeststandards bei Backup, Verschlüsselung, Rechteverwaltung. Versicherer zahlen ungern für Sorglosigkeit. Wer hier investiert, investiert doppelt: Er senkt das Risiko – und er hält seine Police am Leben, wenn er sie wirklich braucht.
Versicherung ist auch Psychologie. Sie erlaubt harte „Neins“ in der Akquise: zu Projekten, deren Risiko-Nutzen-Verhältnis kippt; zu Mandanten, deren Erwartung an „Grenzgang“ den Spielraum sprengt; zu Maßnahmen, die die Deckung aushebeln würden. Wer weiß, wo die eigene Police endet, plant disziplinierter. Wer es nicht weiß, plant nach Bauch. Das eine ist professionell, das andere romantisch – und Romantik hat in Haftungsfragen die Halbwertszeit einer Streichholzflamme.
Bleibt das Restrisiko. Es verschwindet nie. Versicherungen sind keine Freifahrtscheine. Sie sind Netze, keine Trampoline. Man fällt in ihnen weicher – aber man fällt. Deshalb ist die eigentliche Versicherung die Methode: schriftliche Mandate, klare Grenzen, Protokollkultur, Abbruchkompetenz, Teamreflexion. Je konsequenter sie gelebt wird, desto seltener kommt die Police ins Spiel. Und das ist der beste Schadensfall: der, der nicht eintritt, weil man ihn sich vorher vorgestellt und verunmöglicht hat.
Die Branche hat die Wahl, diese Themen zu ignorieren, weil sie unglamourös sind – oder sie zum Differenzierungsmerkmal zu machen. „Versichert, als ob etwas schiefgehen könnte“ klingt nicht sexy. Aber es beruhigt die Auftraggeber, die wissen, dass Leben und Verfahren von Zufällen leben. Wer in einer Welt arbeitet, in der Wahrheit so oft vom Zufall abhängt, sollte nicht auch noch seine Existenz dran hängen. Deckung ist Disziplin in Papierform. Sie kostet – und sie spart Existenzen.