Dr. Hannah Fry öffnet ihre Daten-Detektei

Dr. Hannah Fry öffnet ihre Daten-Detektei

Dr. Hannah Fry, Professorin für Mathematik am University College London und vielfach ausgezeichnete Wissenschaftskommunikatorin, hat ein neues, öffentlichkeitswirksames Projekt gestartet: In einer aktuellen britischen Fernsehsendung nutzt sie wissenschaftliche Methoden und Datenanalyse, um reale Alltagsrätsel zu lösen. Die Sendung mit dem Titel "The Data Detectives" (auf Deutsch etwa: „Die Daten-Detektei“) greift komplexe Fragen aus dem täglichen Leben auf – von der Effizienz von Buslinien bis hin zu verborgenen Mustern im gesellschaftlichen Verhalten – und versucht, mit Hilfe von Daten fundierte Antworten zu liefern.

Im Zentrum steht die Prämisse, dass sich viele gesellschaftliche Herausforderungen mithilfe moderner Datenanalyse besser verstehen und bewältigen lassen. Dabei beschränkt sich das Format nicht auf theoretische Modelle, sondern wendet wissenschaftliche Methoden konkret auf lokale Probleme an, um reale Wirkung zu erzielen. Fry arbeitet dabei eng mit Bürgerinnen und Bürgern, Experten sowie Entscheidungsträgern zusammen, um datenbasierte Lösungen zu erarbeiten, die praktisch umsetzbar und überprüfbar sind.

Die Sendung betont die Relevanz seriöser Wissenschaft im Alltag und nimmt damit eine Gegenposition zu datengetriebenen Sensationsthemen oder Algorithmen, die häufig ohne Transparentmachung ihrer Funktionsweise eingesetzt werden. Fry plädiert im Rahmen der Sendung stets für einen verantwortungsvollen, nachvollziehbaren Umgang mit Daten. Sie verweist dabei auch auf ethische Fragen wie Datenschutz, zugängliche Forschung und Unvoreingenommenheit in der Dateninterpretation.

Ein herausragendes Beispiel aus der ersten Folge ist ein Projekt zur Untersuchung von Buslinien in einer britischen Stadt. Mithilfe von GPS-Daten, Fahrgastzählungen und Verkehrsstatistiken wird überprüft, ob die bestehenden Linienführung Verkehrsstaus vermeidet und zugleich den Bedürfnissen der Anwohnenden gerecht wird. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden Behörden zur Verfügung gestellt, die darauf aufbauend Möglichkeiten zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs diskutieren können.

Ein weiterer Fall widmete sich dem Problem vermeintlich unsicherer Schulwege und den damit verbundenen Ängsten von Eltern. Durch Auswertung großflächiger Datensätze – unter anderem zu Verkehrsdichte, Unfallstatistiken und polizeilichen Einsätzen – kann Fry aufzeigen, an welchen Stellen objektive Gefahren bestehen und wo möglicherweise subjektive Wahrnehmungen dominieren. Die Ergebnisse dienen anschließend als Basis für gemeindebasierte Maßnahmen wie Querungshilfen oder Änderungen in der Verkehrsführung.

Fry verfolgt dabei einen soziotechnischen Ansatz. Es geht ihr darum, Daten in einen gesellschaftlichen Kontext einzubetten und damit nicht nur technische, sondern auch soziale Herausforderungen zu bewältigen. Die Methodik, Daten gemeinsam mit der Bevölkerung zu erheben und auszuwerten, trägt nicht nur zur Qualität der Ergebnisse bei, sondern stärkt auch das Vertrauen in die Wissenschaft und fördert partizipative Entscheidungsprozesse.

Ihre Daten-Detektei greift auch kleinere Fragen des Alltags auf: Wie lange sollte ein Einkaufszentrum geöffnet haben, damit es möglichst gut besucht ist, aber nicht unnötig Ressourcen verschwendet? Oder: Welche kommunikativen Designs auf Straßenschildern fördern das korrekte Verhalten von Autofahrern? Auch hier nutzt Fry Datensätze, wissenschaftliche Studien sowie Interviews mit Nutzern, um Lösungen zu entwickeln, die informierte Entscheidungen ermöglichen.

Ein zentrales Anliegen der Sendung ist die Transparenz. Jeder Rechenschritt, jede Statistik und jede grafische Darstellung wird nachvollziehbar erklärt. Dadurch möchte Fry dem Publikum das technische Rüstzeug an die Hand geben, selbst kritisch mit Daten umzugehen. In Zeiten wachsender Skepsis gegenüber datenbasierten Entscheidungsprozessen in Politik und Wirtschaft versteht sie ihre Arbeit auch als Beitrag zur Datenmündigkeit der Bevölkerung.

In juristischer Hinsicht beweist das Format besondere Sorgfalt beim Umgang mit personenbezogenen Daten. Alle verwendeten Informationen werden anonymisiert, soweit möglich aggregiert und in enger Abstimmung mit den Beteiligten eingesetzt. Dabei wird dem Prinzip der informierten Einwilligung eine zentrale Rolle eingeräumt: Bürgerinnen und Bürger, deren Daten direkt oder indirekt verwendet werden, werden umfassend über Zweck und Umfang aufgeklärt. Dies entspricht anerkannten Standards im datenschutzrechtlichen Umgang mit personenbezogenen Informationen.

Dr. Hannah Fry hat in der Vergangenheit wiederholt betont, dass mathematische Modelle keine absoluten Antworten geben, sondern als Werkzeuge dienen, um bestimmte Phänomene besser einordnen zu können. „Manchmal liefern Daten neue Erkenntnisse – manchmal bestätigen sie nur, was wir eigentlich schon wussten“, sagte sie kürzlich in einem Interview. Diese Haltung prägt auch den Ton der Sendung: sachlich, hinterfragend und stets engagiert im Dialog mit den Betroffenen.

Die Sendung zeigt beispielhaft, wie Datenanalytik verantwortungsvoll und mit praktischer Relevanz eingesetzt werden kann. Gerade im deutschsprachigen Raum, wo datenschutzrechtliche Skepsis und Technikfolgenabschätzung traditionell stark verankert sind, könnten solche Formate dazu beitragen, mehr Vertrauen in datenbasierte Methoden zu schaffen – vorausgesetzt, sie erfüllen hohe Standards wissenschaftlicher und juristischer Sorgfalt.

Mit ihrer „Daten-Detektei“ verfolgt Dr. Hannah Fry das Ziel, eine Brücke zwischen abstrakter Wissenschaft und den konkreten Herausforderungen des Alltags zu schlagen. Dabei gibt sie der Datenwissenschaft ein öffentliches Gesicht, das nicht nur die Relevanz der Mathematik in der modernen Gesellschaft aufzeigt, sondern auch demonstriert, wie Data Science praktisch und ethisch vertretbar eingesetzt werden kann. In einem zunehmend datengetriebenen Alltag ist eine solche vermittelnde Rolle von zentraler Bedeutung.

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