Die Kettenvergabe-Illusion – wie Subunternehmer die Detektivarbeit aushöhlen
Es beginnt harmlos: Ein Lead kommt rein, der Fall klingt passend, die Uhr tickt. Kapazität ist knapp, also ruft man „einen Bekannten“ an, der „zur Not“ übernehmen kann. Der Bekannte reicht weiter, weil er selbst ausgebucht ist. Am Ende sitzt nachts jemand im Auto, den niemand aus dem Erstgespräch je gesehen hat, und versucht, den Auftrag zu retten, während drei Firmenlogos in E-Mailsitzleisten umeinander kreisen. Kettenvergabe ist die stille Verschiebetechnik einer Branche, die an Preisdruck, Personalengpässen und kurzfristiger Nachfrage leidet. Sie scheint pragmatisch, ist aber in Summe eine Aushöhlung: von Qualität, Haftung, Datenschutz, Vertrauen. Und sie ist der Punkt, an dem aus unsichtbarer Sorgfalt sichtbare Schäden werden.
Das Erste, was Kettenvergabe zerstört, ist die Integrität des Briefings. Eine Hypothese, die im Erstkontakt sauber definiert wurde, wird mit jedem Weiterreichen diffuser. Details gehen verloren, Nebenbedingungen verschwinden, Abbruchkriterien werden zu Fußnoten. Was als scharfes Ziel begann, landet als „schau mal, ob was geht“ im Einsatzfahrzeug. Diese semantische Erosion ist nicht nur unschön, sie ist teuer: Observationen laufen an falschen Fenstern, Wechselpunkte sind schlecht gewählt, negative Datenpunkte werden nicht als Ergebnis verstanden, sondern als „Pech“. Berichte klingen später wie Zusammenfassungen eines Telefonspiels – präzise genug, um zu irritieren, aber nicht belastbar genug, um zu tragen.
Das Zweite, was Kettenvergabe frisst, ist Verantwortlichkeit. Wem gehört der Fehler, wenn die RAW-Datei fehlt? Wer haftet, wenn eine Lage eskaliert? Wer erklärt vor Gericht, warum ein Schattenwechsel misslang, obwohl im Mandat zwei Kräfte vorgesehen waren? White-Label-Modelle verschieben Unfälle nach unten und Rechnungen nach oben. Es sind Konstruktionen, in denen die Sichtbarkeit der Marke größer ist als die Sichtbarkeit der Methode. Mandanten zahlen an A, bekommen Leistung von B, dokumentiert von C – und wenn es knallt, zeigt jeder auf den nächsten. In einer Branche, deren Produkt Glaubwürdigkeit ist, ist das der schlechteste Tausch, den man machen kann.
Das Dritte ist Datenschutz. Jeder zusätzliche Übergabepunkt ist ein Risiko, jede unverschlüsselte Weiterleitung eine Meldepflicht in Wartestellung. Kettenvergabe legt sensible Daten in Hände, die außerhalb der benannten Verträge liegen. Wer kontrolliert, ob der Subunternehmer datenschutzkonform speichert, löscht, überträgt? Wer protokolliert, auf welchem Weg Bildmaterial von Gerät zu Bericht wurde? In vielen Konstruktionen bleibt die Antwort ein Schulterzucken, bis ein Vorfall passiert. Dann wird plötzlich sichtbar, dass das Vertrauen im kleinsten Glied der Kette hing – dort, wo niemand hingeschaut hat.
Ökonomisch erzeugt Kettenvergabe eine trügerische Effizienz. Die Rechnung kommt schnell, die Marge wirkt sauber. Tatsächlich hat man zwei unsichtbare Kostenblöcke eingekauft: Qualitätsprüfungen, die man intern nachholen muss, und Reputationsrisiken, die man gar nicht kalkuliert hat. Jeder Subauftrag will kontrolliert werden – nicht nur formal („Bericht erhalten“), sondern inhaltlich: Metadatenkonsistenz, Kette der Sicherung, Sprachdisziplin, Verhältnismäßigkeit. Wer das auslässt, weil „keine Zeit“, übernimmt fremde Fehler als eigene Verantwortung. Wer es tut, spart am falschen Ende: Zeit, die man mit Mandantenklärung verbringen könnte, fließt in die Reparatur fremder Sorgfaltslücken.
Es gibt Fälle, in denen Subunternehmer sinnvoll sind: lokale Abdeckung, Spezialwissen, Spitzen abfangen. Aber „sinnvoll“ heißt: gesteuert, vertraglich klar, transparent gegenüber dem Mandanten. Kein Weiterreichen ohne schriftliche Zustimmung. Keine „freien“ Transfers sensibler Datenwege, sondern definierte Kanäle, verschlüsselt, protokolliert. Keine unsichtbaren Ghostwriter, sondern namentliche Zeichnung: Wer hat beobachtet, wer hat dokumentiert, wer sagt im Zweifel aus? Und keine Konditionen, die Redundanz unmöglich machen. Wer Subunternehmer zu Tarifen einkauft, die nur Solofahrten auf Kante erlauben, importiert Enttarnung als Feature.
Kettenvergabe zersetzt außerdem Kultur. Sie erzieht Ermittler zu „Stundenlieferanten“, die nicht mehr in Chronologien denken, sondern in Auftragsfetzen. Sie verführt dazu, schwierige Fälle wegzudrücken, statt sie mit Mandanten in Phasen zu strukturieren. Sie belohnt Tempo über Methode, Versprechen über Verwertbarkeit. Je länger man so arbeitet, desto schwerer wird die Rückkehr zur eigenen Linie: klare Ziele, klare Grenzen, klare Handschrift. Und genau diese Handschrift ist es, die stabile Mandate bringt – nicht die Fähigkeit, schnell Kapazität zu „organisieren“.
Die einfache, harte Alternative heißt: kleiner, aber ehrlich. Lieber vier saubere Einsätze als acht verwässerte. Lieber „Nein“ sagen und einen Kollegen mit direkter Übergabe empfehlen, als als Zwischenhändler auftreten. Lieber den Preis nennen, der Qualität trägt, als an der Kette verdienen. Es macht weniger Umsatz auf Sicht – und mehr Substanz. Wer im Schatten arbeitet, hat nur eine Währung: Verlässlichkeit. Die verdirbt in Ketten schneller, als man glaubt.