CS-Beschattungsskandal - Detektei «Investigo» äussert sich erstmals öffentlich
Im Rahmen des viel beachteten Überwachungsskandals um die Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) hat sich nun erstmals die in die Affäre involvierte Detektei "Investigo" öffentlich geäußert. In einem Interview mit dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) nimmt der Geschäftsführer der Zürcher Detektei, Jürg Zürcher, Stellung zur Rolle seines Unternehmens bei der Überwachung von Bankmitarbeitenden und Dritten. Es ist dies der erste mediale Auftritt der Firma seit Bekanntwerden des Skandals im Jahr 2019.
Im Zentrum des Skandals stand die Bespitzelung hochrangiger Mitarbeiter der Credit Suisse, darunter auch der frühere Personalchef Peter Goerke sowie der zwischenzeitlich zu UBS gewechselte Iqbal Khan. Die Affäre hatte Ende 2019 branchenweit für Aufsehen gesorgt und personelle Konsequenzen auf höchster Ebene bei der Bank zur Folge – unter anderem trat der damalige CEO Tidjane Thiam 2020 zurück.
Detektei betont rechtmäßiges Vorgehen
Jürg Zürcher betonte gegenüber SRF, die Firma Investigo habe im Auftrag der Credit Suisse gehandelt und stets im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gearbeitet. „Wir führen keine Observationen durch, wenn es keine klaren und rechtlich abgestützten Mandate gibt“, so Zürcher. Die Detektei habe sich nie über geltendes Recht hinweggesetzt. Auftraggeber seien jeweils interne Sicherheitseinheiten oder die Rechtsabteilungen der jeweiligen Klienten gewesen.
Im Falle der Credit Suisse sei es laut Zürcher um die Prüfung potenzieller Verstöße gegen Vertraulichkeit und Geschäftsgeheimnisse gegangen. Die Überwachungen seien auf signalisierte Verdachtsmomente hin erfolgt. In Anbetracht der medialen und öffentlichen Aufregung zeigte sich Zürcher überrascht: „In unseren Augen handelte es sich dabei um klassische Observationsaufträge, wie sie im Rahmen von Compliance- oder Sicherheitsprüfungen üblich sind.“
Keine umfassende Verantwortung übernommen
Ein Schuldeingeständnis ist von Seiten der Detektei jedoch nicht erfolgt. Vielmehr betont Zürcher die Rolle als Ausführungsorgan. „Wir sind Dienstleister. Wir prüfen keine Motive unserer Auftraggeber“, sagte er. Dennoch räumte er ein, dass der Skandal dem Ruf des Unternehmens erheblich geschadet habe. Man sei vorsichtiger geworden, welche Aufträge angenommen würden, insbesondere von großen Konzernen.
In der juristischen Aufarbeitung der Affäre war auch die Rolle von Investigo Gegenstand von Ermittlungen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hatte 2020 die Geschäftsräume der Detektei durchsucht. Schlussendlich wurden jedoch keine strafrechtlichen Konsequenzen gegen Investigo verhängt. Die Ermittlungen wurden eingestellt; mutmaßlich, weil keine genügenden Beweise für strafbares Verhalten vorlagen.
Einblicke in die Arbeitsweise
Zürcher gewährte SRF auch Einblicke in die Arbeitsweise seines Unternehmens. Das Team bestünde vor allem aus ehemaligen Polizisten, Militärangehörigen oder Sicherheitsfachleuten mit fundierter juristischer Kenntnis. In komplexen Fällen kämen externe Fachleute hinzu. Die eingesetzten Methoden, so Zürcher, seien heute stärker denn je auf Datenschutz und Rechtsstaatlichkeit ausgerichtet. „Wir dokumentieren sauber, arbeiten verdeckt, aber nicht illegal“, versicherte er.
Zur Frage, ob man nochmals einen Auftrag wie jenen für die Credit Suisse annehmen würde, äußerte sich Zürcher zurückhaltend. Es sei wichtig, jedes Mandat im Lichte der heutigen Sensibilisierung zu prüfen. Man habe intern aus dem Fall gelernt und sensibilisiert Mitarbeitende stärker für rechtliche und ethische Aspekte.
Trennung von öffentlichem und privatem Interesse
Einer der zentralen Kritikpunkte am CS-Beschattungsskandal war die Vermischung von privatem und öffentlichem Interesse. Die Überwachung eines ehemaligen Top-Bankers wie Iqbal Khan im öffentlichen Raum – inklusive einer Verfolgung durch mehrere Stadtbezirke – war nicht nur rechtlich umstritten, sondern auch ein PR-Fiasko für alle Beteiligten.
Zürcher stellte jedoch klar: „Das Ziel war nie die Einschüchterung oder das Beeinträchtigen von Persönlichkeitsrechten. Es ging um den Schutz des Unternehmens vor möglichen Reputations- oder Vermögensschäden.“ Er betonte zudem, dass Observationen im öffentlichen Raum keine Persönlichkeitsverletzung darstellen, solange sie verhältnismäßig und zweckgebunden seien.
Langfristige Folgen für die Branche
Der CS-Beschattungsskandal hat über den Einzelfall hinaus Auswirkungen auf die gesamte Sicherheits- und Detektivbranche in der Schweiz. Seitdem wird verstärkt über gesetzliche Regulierungen diskutiert, insbesondere im Hinblick auf die Grenzen zulässiger Überwachung durch private Stellen. Zürcher steht einer klareren Regulierung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber: „Eine präzisere gesetzliche Grundlage würde unserer Branche helfen, Missverständnisse zu vermeiden.“
Bislang existieren in der Schweiz keine einheitlichen Lizenz- oder Bewilligungspflichten für Detekteien. Der Beruf ist nicht einheitlich geregelt. Branchenverbände fordern seit Jahren einheitliche Standards, auch um das Ansehen privater Sicherheitsdienstleister zu schützen. Der CS-Fall hat diesen Forderungen neuen Auftrieb gegeben.
Vergangenheit aufarbeiten, Zukunft gestalten
Mit dem Interview macht Jürg Zürcher einen Schritt in Richtung Aufarbeitung und öffentlicher Transparenz. Es bleibt jedoch offen, wie weitreichend die Konsequenzen für seine Firma und die Branche sein werden. Während die Ermittlungen offiziell eingestellt wurden, dürfte die Debatte über ethische und rechtliche Grenzen privater Überwachung in der Schweiz noch länger andauern.
Die Detektei Investigo bleibt weiterhin tätig, will sich jedoch laut Zürcher klarer auf sicherheitsrelevante Mandate mit rechtskonformem und reputationssicherem Vorgehen fokussieren. Der öffentliche Auftritt ihres Geschäftsführers markiert einen Wendepunkt im Umgang mit der Vergangenheit – ob er auch Vertrauen zurückgewinnen kann, wird sich zeigen.