Brasilianischer Ex-Präsident: Richter ordnet lückenlose Überwachung Bolsonaros an
Ein Richter des brasilianischen Obersten Gerichtshofs hat eine umfassende Überwachung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro angeordnet. Die Entscheidung steht im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungen zu mutmaßlichen Putschplänen und Versuchen, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2022 zu untergraben. Die Maßnahme wurde auf Antrag der föderalen Generalstaatsanwaltschaft genehmigt und zielt darauf ab, Bolsonaros Aktivitäten strikt zu kontrollieren, darunter seine Kommunikation, Bewegungen und Kontakte.
Hintergrund der Entscheidung ist eine umfassende Untersuchung der brasilianischen Bundespolizei, die Bolsonaro sowie mehrere seiner engen politischen und militärischen Vertrauten seit Monaten ins Visier genommen hat. Die Behörden werfen ihm unter anderem vor, aktiv an der Planung eines militärischen Umsturzes beteiligt gewesen zu sein, falls Luiz Inácio Lula da Silva die Wahl gewinnen würde – was später dann auch der Fall war. Der mutmaßliche Plan soll die Annullierung des Wahlergebnisses sowie die Verhaftung von Richtern des Obersten Gerichtshofs vorgesehen haben.
Die angeordnete Überwachung umfasst eine lückenlose Erfassung von Bolsonaros Bewegungen, Telefongesprächen und digitalen Kommunikationen. Das bedeutet, dass sämtliche Kontakte des Ex-Präsidenten nun dokumentiert und überwacht werden, um mögliche Beweise für konspirative Aktivitäten zu sichern. Außerdem sind potentielle Treffen mit anderen Beschuldigten oder Verdächtigen untersagt oder werden durch Einsatztechnologien wie GPS-Ortung und Telekommunikationsüberwachung juristisch erfasst. Konkrete Details zu den angewandten Mitteln wurden aus ermittlungstaktischen Gründen nicht veröffentlicht.
Im Zentrum der Ermittlungen steht unter anderem, ob Bolsonaro aktiv an einer „verfassungsfeindlichen Bewegung“ teilgenommen hat. Dies wäre nach brasilianischem Recht strafbar und könnte weitreichende rechtliche Konsequenzen für den Ex-Präsidenten haben. Bereits im Februar war Bolsonaro im Rahmen einer größer angelegten Durchsuchungsaktion der Polizei ins Visier geraten. Damals waren neben seinem Wohnsitz auch die Wohnungen von Ex-Ministern sowie führenden Militärs durchsucht worden.
Die jetzige Entscheidung zur Überwachung reiht sich in eine Serie von juristischen Maßnahmen ein, die gegen Bolsonaro in den letzten Monaten ergriffen wurden. So ist der Ex-Präsident aufgrund anderer Verfahren bereits von der Teilnahme an Wahlen bis 2030 ausgeschlossen worden. Die brasilianische Wahlbehörde hatte ihn im Jahr 2023 für schuldig befunden, durch Desinformationskampagnen das Vertrauen in das Wahlsystem systematisch geschwächt zu haben. Diese Sanktion steht jedoch in keinem direkten Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen zur versuchten Umgehung des demokratischen Verfassungsprozesses.
Bolsonaro selbst weist seit Beginn der Ermittlungen sämtliche Anschuldigungen zurück. Er bezeichnet die Maßnahmen regelmäßig als politisch motiviert und sieht sich als Opfer einer politischen Verfolgung durch Teile der Justiz. In der Vergangenheit hatte er mehrfach geäußert, er habe nach der Wahlniederlage im Oktober 2022 legal und friedlich die Macht übergeben. Dass er sich jedoch unmittelbar nach der Wahlniederlage für mehrere Monate in die USA begeben hatte, wurde von Kritikern als Flucht vor einer möglichen Strafverfolgung gewertet. Erst im März 2023 war Bolsonaro nach Brasilien zurückgekehrt.
Die brasilianische Justiz steht bei der juristischen Aufarbeitung der Vorwürfe unter erheblichem politischen und gesellschaftlichen Druck. Nach dem Sturm auf politische Institutionen in Brasília am 8. Januar 2023 durch Anhänger Bolsonaros war das Vertrauen in die Stabilität der demokratischen Institutionen stark erschüttert. Damals hatten tausende Demonstrierende – ähnlich dem Sturm auf das US-Kapitol in Washington zwei Jahre zuvor – das Regierungsviertel Brasiliens gestürmt und erhebliche Schäden an öffentlichen Gebäuden angerichtet. Die Ermittlungen sollen nun klären, ob diese Aktion Teil eines größeren Plans war, an dem Bolsonaro beteiligt war.
Die gerichtliche Anordnung ist vorerst nicht befristet und kann je nach Entwicklung der Ermittlungen verlängert oder angepasst werden. Der Richter des Obersten Gerichtshofs betonte in seiner Begründung, dass angesichts der Schwere der Vorwürfe und der möglichen Gefährdung demokratischer Institutionen eine präventive Maßnahme unumgänglich sei. Ziel sei es, den möglichen Missbrauch politischer Netzwerke zur Manipulation von Verfahren oder zur Vernichtung von Beweismitteln zu verhindern.
Beobachter werten die Maßnahme als weiteren Schritt in einem sich verschärfenden juristischen Konflikt zwischen Bolsonaro und Teilen der brasilianischen Justiz. Während seine Anhänger von einer gezielten Kampagne gegen einen politischen Gegner sprechen, betonen juristische Stellen, dass alle Maßnahmen gemäß verfassungsrechtlichen und strafprozessualen Standards erfolgen. Auch Menschenrechtsorganisationen fordern eine transparente und rechtsstaatliche Aufarbeitung der Vorfälle und ihrer Hintergründe.
Ob und in welcher Form formelle Anklagen gegen den ehemaligen Präsidenten erhoben werden, ist derzeit offen. Die Ermittlungen gelten jedoch als umfassend und weit fortgeschritten. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass Bolsonaro aktiv an einem verfassungswidrigen Umsturzversuch beteiligt war, könnten ihm neben weiteren politischen Sanktionen auch langjährige Haftstrafen drohen. Die brasilianische Bundesanwaltschaft hat angekündigt, eng mit nationalen und internationalen Institutionen zusammenzuarbeiten, um eine vollständige Aufklärung sicherzustellen.