Brasilianischer Ex-Präsident: Richter ordnet lückenlose Überwachung Bolsonaros an

Brasilianischer Ex-Präsident: Richter ordnet lückenlose Überwachung Bolsonaros an

Ein brasilianischer Bundesrichter hat die umfassende Überwachung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro angeordnet. Der Beschluss ist Teil laufender Ermittlungen im Zusammenhang mit einem möglichen versuchten Staatsstreich nach den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2022. Der konservative Politiker steht unter Verdacht, gemeinsam mit Unterstützern systematisch ein Szenario vorbereitet zu haben, um das Wahlergebnis zu delegitimieren und möglicherweise gewaltsam zu kippen.

Die Entscheidung zur lückenlosen Überwachung Bolsonaros wurde von Alexandre de Moraes, Richter am Obersten Gerichtshof Brasiliens, getroffen. Diese Maßnahme umfasst unter anderem die Aktivierung der GPS-Ortung über das Mobilgerät Bolsonaros sowie die Pflicht für ihn, sich wöchentlich bei den Behörden zu melden. Zudem darf der ehemalige Präsident keinen Kontakt zu einer Reihe Mitbeschuldigter aufnehmen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, eine etwaige Beeinflussung der Ermittlungen zu verhindern und Fluchtgefahr auszuschließen.

Bolsonaro, der von 2019 bis Ende 2022 das Amt des Präsidenten innehatte, war nach seiner Wahlniederlage gegen Lula da Silva zunächst in die Vereinigten Staaten ausgereist. Er kehrte im März 2023 nach Brasilien zurück. Bereits seit seiner Rückkehr sah er sich verschiedenen Ermittlungen ausgesetzt, unter anderem wegen mutmaßlich illegal importierter Schmuckstücke und der unrechtmäßigen Aneignung staatlicher Geschenke. Die aktuellen Ermittlungen gehen jedoch deutlich über solche Vorwürfe hinaus und betreffen den Vorwurf der Verschwörung zur Umgehung des demokratischen Prozesses.

Ausgangspunkt der jüngsten Entwicklungen war ein Video, das Bolsonaro kurz nach dem Sturm auf Regierungsgebäude am 8. Januar 2023 auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte. Darin wurde die Legitimität der Wahl sowie das brasilianische Wahlsystem infrage gestellt. Obwohl das Video nach kurzer Zeit wieder gelöscht wurde, wird es in Brasilien von den Behörden als Beleg für die These gewertet, Bolsonaro habe gezielt Misstrauen in demokratische Institutionen gesät, um eine Interventionsbereitschaft innerhalb der Sicherheitskräfte zu fördern.

Im Rahmen der Ermittlungen wurden bereits mehrere Personen aus Bolsonaros Umfeld vernommen, darunter frühere Minister, hohe Militärs sowie Berater. Ein ehemaliger Adjutant des Ex-Präsidenten hat offenbar vor den Behörden ausgesagt und belastet Bolsonaro schwer. Laut brasilianischen Medienberichten soll der Adjutant angegeben haben, Bolsonaro habe persönlich an Sitzungen teilgenommen, in denen über Pläne zur Verhinderung der Amtsübernahme durch Lula da Silva gesprochen wurde. Es soll sich um Gespräche gehandelt haben, in denen auch Optionen wie das Ausrufen eines Ausnahmezustands oder das Einschalten des Militärs in Erwägung gezogen wurden.

Der Beschluss zur lückenlosen Überwachung ist Teil eines umfassenderen Maßnahmenpakets, das Richter Moraes angeordnet hat. Es beinhaltet neben der Überwachung Bolsonaros auch Durchsuchungen bei Unterstützern sowie die Sicherstellung elektronischer Geräte, die als mögliche Beweismittel dienen könnten. Ziel sei es, so das Gericht, die „vollständige Aufklärung“ der mutmaßlichen Konspiration zu ermöglichen und sicherzustellen, dass kein Beschuldigter sich der Justiz entziehen kann.

Jair Bolsonaro selbst weist alle Vorwürfe zurück. In öffentlichen Stellungnahmen bezeichnete er die Ermittlungen als politisch motiviert und betonte, stets im Rahmen der Verfassung gehandelt zu haben. Seine Anwälte kündigten an, gegen die Überwachungsmaßnahmen rechtlich vorzugehen und diese gegebenenfalls vor dem Obersten Gerichtshof anzufechten. Gleichzeitig bemüht sich Bolsonaro um Unterstützung innerhalb seiner Anhängerschaft, wobei er weiterhin auf Protestaktionen verzichtet, um nach eigenem Bekunden keine Eskalationen zu provozieren.

Die brasilianische Justiz steht unterdessen unter erheblichem Druck, einerseits den Rechtsstaat zu schützen und andererseits nicht den Anschein politischer Voreingenommenheit zu erwecken. Richter Moraes ist seit Jahren eine zentrale Figur im Kampf gegen Desinformation und demokratiefeindliche Bewegungen in Brasilien. Seine harte Linie gegen extremistische Tendenzen wird von vielen als notwendig gewertet, stößt aber innerhalb konservativer Kreise auch auf Kritik. Insbesondere die Befugnisse, die Moraes im Rahmen seiner Ermittlungen ausübt, werden teils als weitreichend und beispiellos betrachtet.

Beobachter sehen in der aktuellen Maßnahme gegen Bolsonaro einen Meilenstein in der brasilianischen Aufarbeitung der Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat. Sollte sich der Verdacht einer aktiven Beteiligung des Ex-Präsidenten an Umsturzplänen bestätigen, stünde nicht nur seine politische Karriere vor dem Aus, sondern auch eine strafrechtliche Verfolgung wäre denkbar. In der Vergangenheit hatten sich mehrere politische Größen in Brasilien vor Gericht verantworten müssen, allerdings wäre ein solcher Prozess gegen einen ehemaligen Präsidenten wegen versuchten Staatsstreichs ein Novum in der Geschichte der Republik.

Nach Einschätzung von Rechtsexperten wird es Wochen bis Monate dauern, bis geklärt ist, ob es zu einer Anklage gegen Bolsonaro kommt. Die Überwachungsmaßnahmen deuten jedoch darauf hin, dass die Justiz realistische Anhaltspunkte für ein organisiertes Vorgehen zur Untergrabung der demokratischen Ordnung sieht. Damit steht Brasilien einmal mehr vor einem politischen und juristischen Präzedenzfall, dessen Ausgang auch internationale Bedeutung erlangen könnte.

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