Betrug am Arbeitsplatz: Wenn der Chef den Detektiv anruft

Betrug am Arbeitsplatz: Wenn der Chef den Detektiv anruft

Verdachtsmomente reichen oft nicht aus – doch bei dem Verdacht auf Fehlverhalten am Arbeitsplatz können Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen auf professionelle Hilfe zurückgreifen. Privatdetekteien kommen dabei zunehmend zum Einsatz. Ob es sich um Lohnfortzahlungsbetrug, Wettbewerbsverstöße oder unerlaubte Nebentätigkeiten handelt – insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sehen sich vermehrt gezwungen, mutmaßlichem Fehlverhalten einzelner Beschäftigter mit gezielten Ermittlungen zu begegnen. Rechtlich darf dies jedoch nur im engen Rahmen geschehen, der durch das Bundesdatenschutzgesetz und arbeitsgerichtliche Urteile abgesteckt ist.

Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht ohne Weiteres überwachen lassen. In Artikel 6 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie in § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist geregelt, dass personenbezogene Daten nur verarbeitet werden dürfen, wenn dies zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist oder zur Aufdeckung von Straftaten dient – Letzteres aber nur, wenn ein konkreter Anfangsverdacht besteht. Diese Schwelle ist hoch. Ein bloßes „unklares Gefühl“ reicht nicht aus, um eine Detektei auf Beschäftigte anzusetzen.

Ein klassisches Einsatzszenario ist der Verdacht auf Lohnfortzahlungsbetrug. Gemeldet krank, doch gleichzeitig aktiv beim Renovieren der eigenen Wohnung oder beim Nebenjob – solche Fälle werden aus Unternehmenssicht nicht nur als Vertrauensbruch, sondern auch als wirtschaftlicher Schaden gewertet. Wird ein konkreter Hinweis auf ein solches Verhalten glaubhaft, etwa durch Hinweise von Kollegen oder widersprüchliches Verhalten des Verdächtigten, kann eine Beobachtung durch eine Privatdetektei rechtlich zulässig sein. Voraussetzung ist stets eine Einzelfallabwägung: Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers muss verhältnismäßig sein und darf nicht durch mildere Mittel ersetzt werden können.

Der Einsatz von Detekteien erfolgt meist mit dem Ziel, gerichtsverwertbare Beweise zu erlangen. Die gewonnenen Informationen können dann Grundlage für arbeitsrechtliche Schritte sein – von der Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung. Arbeitgeber sind dabei jedoch nicht nur an die arbeitsrechtlichen, sondern auch an die datenschutzrechtlichen Vorgaben gebunden. Verstöße gegen diese Vorgaben können dazu führen, dass erlangte Beweise vor Gericht nicht verwertbar sind. Zudem dürfen Arbeitgeber sich durch den Einsatz externer Ermittler nicht aus der Verantwortung ziehen: Auch bei Beauftragung Dritter bleibt das Unternehmen datenschutzrechtlich Verantwortlicher im Sinne der DSGVO.

Unternehmen, die eine Observation erwägen, sind daher gut beraten, im Vorfeld eine juristische Prüfung vorzunehmen. Fachanwälte für Arbeitsrecht können bewerten, ob die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Überwachung vorliegen. Detekteien, die auf arbeitsrechtliche Observationen spezialisiert sind, betonen ihrerseits, dass sie nur auf Grundlage konkreter Verdachtsmomente tätig werden. Sie dokumentieren ihre Tätigkeiten detailliert, um die Nachvollziehbarkeit und Rechtmäßigkeit sicherzustellen.

Gleichzeitig ist der Einsatz von Detektiven sensibel, auch was das Betriebsklima betrifft. Wird bekannt, dass ein Unternehmen auf solche Mittel zurückgreift, kann dies Unsicherheit unter den Beschäftigten auslösen. Transparente Kommunikationsstrategien und ein klarer Verhaltenskodex zu Compliance und Zusammenarbeit können helfen, das gegenseitige Vertrauen zu stärken – auch im Fall interner Ermittlungen. In der Praxis empfiehlt sich eine lückenlose interne Dokumentation über Verdachtsmomente, mögliche andere Aufklärungsmaßnahmen und die Entscheidung zum Einsatz einer Detektei.

Vor den Arbeitsgerichten in Deutschland wird die Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen regelmäßig überprüft. So erkannte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil (Az.: 2 AZR 107/16) an, dass die Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein kann. Entscheidend war auch in diesem Fall das Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Gleichzeitig urteilte das BAG in einem anderen Fall, dass einem Arbeitnehmer bei unrechtmäßiger Überwachung Schadensersatzansprüche zustehen können – einschließlich der sogenannten Geldentschädigung bei schwerwiegendem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht.

Die Grauzone, in der sich Arbeitgeber zwischen berechtigtem Interesse und rechtswidriger Überwachung bewegen können, erfordert also Sensibilität. In einem rechtsstaatlichen Arbeitsverhältnis müssen auch bei Verdacht auf Fehlverhalten rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt bleiben. Insbesondere müssen Unternehmen beachten, dass die präventive Überwachung – also ohne konkreten Verdacht – grundsätzlich nicht zulässig ist. Auch das heimliche Installieren von Kameras oder das Verfolgen privater Kommunikation ist in der Regel nicht erlaubt und kann erhebliche juristische Konsequenzen nach sich ziehen.

Mit dem zunehmenden Einsatz digitaler Technologien steigen zugleich die technischen Möglichkeiten der Überwachung am Arbeitsplatz. GPS-Tracker, Bewegungsdaten oder digitale Fingerabdrücke – all das kann nur dann rechtmäßig genutzt werden, wenn die Mitarbeiter informiert wurden, ein konkreter Anlass vorliegt und die Maßnahme verhältnismäßig ist. Andernfalls drohen Unternehmen empfindliche Sanktionen durch die Datenschutzaufsichtsbehörden.

In der Konsequenz bedeutet das: Arbeitgeber dürfen bei berechtigtem Verdacht sorgfältig ermitteln, aber sie müssen zugleich die Rechte ihrer Beschäftigten wahren. Der Ruf nach dem Detektiv ist kein Freibrief zur Kontrolle, sondern ein rechtlich streng reguliertes Instrument, das unter genau definierten Bedingungen eingesetzt werden darf. Unternehmen sind daher gut beraten, im Zweifel rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen, bevor sie Maßnahmen ergreifen, die tief in die Privatsphäre ihrer Beschäftigten eingreifen.

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