BAG: Beschattung eines Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv kann zu Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DS-GVO führen

BAG: Beschattung eines Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv kann zu Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DS-GVO führen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 26. August 2022 (Az. 8 AZR 466/21) entschieden, dass die rechtswidrige Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen vom Arbeitgeber beauftragten Privatdetektiv einen datenschutzrechtlichen Schadensersatzanspruch gemäß Artikel 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auslösen kann. Diese Entscheidung konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer bei einer unzulässigen Privatüberwachung durch den Arbeitgeber eine Entschädigung verlangen können.

Hintergrund des Verfahrens

Im zugrunde liegenden Fall war ein Arbeitnehmer über mehrere Jahre – auch krankheitsbedingt – abwesend. Der Arbeitgeber hegte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit seines Mitarbeiters und beauftragte daraufhin ein Detektivbüro mit der Observation des Arbeitnehmers. Im Rahmen der Überwachung wurden unter anderem Bild- und Videomaterial erstellt, das persönliche und alltägliche Handlungen des Betroffenen zeigte. Der betroffene Arbeitnehmer erlangte Kenntnis über die Observation und erhob Klage mit dem Ziel, eine Geldentschädigung wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie einen Schadensersatzanspruch gemäß Artikel 82 DS-GVO geltend zu machen.

Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage teilweise stattgegeben, den Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Artikel 82 DS-GVO jedoch zurückgewiesen. Das BAG hob die Entscheidung in diesem Punkt auf und stellte fest, dass eine unzulässige Überwachung grundsätzlich zu einem Ersatzanspruch für immaterielle Schäden gemäß der DS-GVO führen könne.

Rechtliche Bewertung durch das BAG

Das Gericht stellte klar, dass die vom Arbeitgeber veranlasste Beobachtung durch den Privatdetektiv eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt. Dazu gehört insbesondere die Erhebung, Aufzeichnung und gegebenenfalls Weitergabe von Informationen über die betroffene Person. Eine solche Verarbeitung unterliegt grundsätzlich den Anforderungen der DS-GVO.

Eine solche Datenverarbeitung kann nur dann rechtmäßig sein, wenn sie auf eine der in Artikel 6 Absatz 1 DS-GVO genannten Rechtsgrundlagen gestützt werden kann. In dem vorliegenden Fall war insbesondere fraglich, ob die Maßnahme zur Wahrung berechtigter Interessen des Arbeitgebers erforderlich und verhältnismäßig war. Das BAG betonte, dass die Möglichkeiten zur rechtmäßigen Überwachung von Mitarbeitern eng begrenzt sind und stets eine Abwägung der Interessen beider Parteien erfordern.

War die Observation ungerechtfertigt, liegt ein Verstoß gegen die DS-GVO vor. In einem solchen Fall kann gemäß Artikel 82 Abs. 1 DS-GVO jede Person, der wegen eines solchen Verstoßes ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, von dem Verantwortlichen einen angemessenen Schadenersatz verlangen.

Zum Begriff des „immateriellen Schadens“

Mit Blick auf die Anforderungen an den Nachweis eines immateriellen Schadens stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass kein Bagatellvorbehalt besteht. Bereits der einmalige, rechtswidrige Eingriff in die durch die DS-GVO geschützten Rechte einer betroffenen Person kann einen immateriellen Schaden begründen. Diese Einschätzung folgt auch der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach weder ein bestimmter Schweregrad des Schadens erforderlich ist noch ein Nachweis konkreter emotioneller Belastung erbracht werden muss.

Allerdings bleibt zu beachten, dass immaterieller Schadensersatz nur bei einem tatsächlichen und konkreten Nachteil gewährt wird. Theoretische oder lediglich befürchtete Beeinträchtigungen reichen nicht aus. Auch diesbezüglich verwies das BAG auf die Anforderungen des Artikels 82 DS-GVO sowie die restriktive Kriterien des EuGH in vergleichbaren datenschutzrechtlichen Streitigkeiten.

Konsequenzen für Arbeitgeber

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat weitreichende Auswirkungen auf den Umgang mit Verdachtsmomenten gegenüber Arbeitnehmern. Arbeitgeber sollten bei einem begründeten Verdacht auf Pflichtverletzungen prüfen, ob mildere Mittel zur Aufklärung in Betracht kommen, bevor sie zu einer Überwachung durch Dritte greifen. Die Beauftragung eines Privatdetektivs stellt in vielen Fällen einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters dar und muss verhältnismäßig sowie rechtlich fundiert sein.

Im Zuge dessen ist insbesondere sicherzustellen, dass eine Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen erfolgt. Arbeitgeber müssen darlegen können, dass sie im Vorfeld eine Datenschutz-Folgenabschätzung vorgenommen und die Maßnahme auf eine gültige Rechtsgrundlage gestützt haben. Fehlt eine solche sorgfältige Abwägung, drohen empfindliche Sanktionen und Schadensersatzforderungen.

Auch datenschutzrechtlich ist die Entscheidung bedeutsam. Sie stellt klar, dass auch private Arbeitgeber als Verantwortliche im Sinne der DS-GVO bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen haften – selbst wenn sie ihre Maßnahmen durch externe Dienstleister wie Privatdetektive durchführen lassen. In solchen Fällen liegt die Haftung weiterhin beim Arbeitgeber, da dieser die Entscheidung zur Datenverarbeitung initiiert und kontrolliert.

Fazit

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellt einen wichtigen Meilenstein im Zusammenspiel von Arbeitsrecht und Datenschutzrecht dar. Sie verdeutlicht die Rechtsfolgen einer nicht gerechtfertigten Observation von Arbeitnehmern und stärkt die Rechte von Beschäftigten im Hinblick auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten. Arbeitnehmer, die von einer unzulässigen Überwachung betroffen sind, können künftig auf eine stärkere Rechtsposition zurückgreifen und gezielt Schadensersatzansprüche geltend machen – auch ohne eine besonders gravierende Verletzung ihrer Rechte nachweisen zu müssen.

Arbeitgeber ihrerseits sind angehalten, Verdachtsmomente sorgfältig zu prüfen und Maßnahmen zur Aufklärung stets unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durchzuführen. Gerade bei sensiblen Eingriffen wie der Einschaltung von Detekteien ist äußerste Zurückhaltung geboten – auch im eigenen Interesse, um kostspielige Haftungsrisiken zu vermeiden.

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