BAG: Beschattung eines Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv kann zu Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DS-GVO führen

BAG: Beschattung eines Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv kann zu Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DS-GVO führen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 29. Juni 2023, Az. 8 AZR 296/22) klargestellt, dass eine rechtswidrige Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv durch den Arbeitgeber einen Schadensersatzanspruch nach Artikel 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auslösen kann. Die Entscheidung befasst sich damit, wann eine Überwachung datenschutzrechtlich unzulässig ist und welche rechtlichen Folgen sich daraus ergeben können.

Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter durch einen Privatdetektiv überwachen lassen, da er Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hegte. Der Detektiv dokumentierte unter anderem mit Fotos und ausgedehnten Beobachtungen das Verhalten des Arbeitnehmers im privaten Umfeld. Der Betroffene sah in dieser Maßnahme einen schweren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht und machte unter anderem Schadensersatz geltend. Das BAG gab dem Arbeitnehmer im Ergebnis Recht.

Nach Art. 82 DS-GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Arbeitgeber sind im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses datenschutzrechtlich Verantwortliche im Sinne der DS-GVO. Das Gericht stellt klar, dass solche Eingriffe – insbesondere Überwachungsmaßnahmen – einer besonders sorgfältigen Prüfung bedürfen.

Voraussetzungen für eine rechtmäßige Überwachung

Das BAG betont, dass die Überwachung eines Arbeitnehmers nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist. Insbesondere müssen konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers vorliegen, das mit einer solchen Maßnahme aufgeklärt werden soll. Eine bloße Vermutung oder allgemeines Misstrauen genügt nicht, um eine derart eingriffsintensive Maßnahme wie die Einschaltung eines Detektivs zu rechtfertigen.

Im zu entscheidenden Fall lagen nach Meinung des Gerichts keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten vor, das eine Überwachung durch einen Privatdetektiv hätte rechtfertigen können. Mangels rechtlicher Grundlage sei somit die Datenerhebung durch den Detektiv unrechtmäßig erfolgt. Dies stelle einen Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO dar, insbesondere gegen die Grundsätze der Datenverarbeitung gemäß Art. 5 DS-GVO.

Schadensersatz für immaterielle Schäden

Bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass das BAG dem Arbeitnehmer auch einen Schadensersatzanspruch für einen immateriellen Schaden zusprach. Der immaterielle Schaden im Sinne des Art. 82 DS-GVO umfasst auch Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch rechtswidrige Datenverarbeitung, selbst wenn kein wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist. Das Gericht bekräftigt dabei die aus dem Unionsrecht folgende weite Auslegung des Schadensbegriffs.

Allerdings stellt das BAG ebenfalls klar, dass nicht jeder datenschutzrechtliche Verstoß zwangsläufig zu einem Ersatzanspruch führt. Es sei Sache des Arbeitnehmers darzulegen und – soweit erforderlich – nachzuweisen, dass ihm ein konkreter immaterieller Schaden entstanden sei. Ein bloßes „Unwohlsein“ oder eine abstrakte Verletzung des Datenschutzes genüge dafür nicht. Vielmehr müsse eine tatsächliche Beeinträchtigung vorliegen, beispielsweise in Form von Stress, Angst oder einem Verlust von Kontrolle über die eigenen Daten.

Haftung des Arbeitgebers

Nach Artikel 82 Abs. 3 DS-GVO haftet der Verantwortliche grundsätzlich, es sei denn, er weist nach, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. Im vorliegenden Fall war der Arbeitgeber jedoch nicht in der Lage, eine solche Entlastung darzulegen. Er hatte den Detektiv beauftragt und war somit für die rechtswidrige Datenverarbeitung verantwortlich.

Das BAG stellt in diesem Zusammenhang auch klar, dass sich der Arbeitgeber nicht auf ein Fehlverhalten des Detektivs berufen kann, sofern keine ordnungsgemäße rechtliche Beauftragung vorliegt. Der Arbeitgeber hatte die Kontrolle über den Zweck und die Mittel der Datenverarbeitung und bleibt somit datenschutzrechtlich verantwortlich.

Implikationen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG hat erhebliche praktische Auswirkungen für Arbeitgeber. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, Überwachungsmaßnahmen im Beschäftigungsverhältnis unter strikt rechtlichen Gesichtspunkten zu planen und durchzuführen. Vor dem Einsatz eines Detektivs muss eine sehr sorgfältige Abwägung des Einzelfalls erfolgen, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung) sowie des § 26 Abs. 1 BDSG (Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses).

Arbeitgeber sind gut beraten, bei Unsicherheiten über die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen rechtlichen Rat einzuholen, bevor sie Maßnahmen ergreifen, die in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten eingreifen. Der Schaden infolge eines unzulässigen Eingriffs kann nicht nur in Form von Schadensersatzforderungen entstehen, sondern auch in Form von Reputationsverlust und möglichen aufsichtsrechtlichen Sanktionen durch Datenschutzbehörden.

Die Entscheidung macht auch deutlich, dass individuelles Datenschutzrecht im Beschäftigungsverhältnis einen hohen Stellenwert besitzt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht schutzlos und können Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben effektiv verfolgen. Das BAG stärkt mit seinem Urteil somit die Stellung der Beschäftigten gegenüber unzulässigen Überwachungsmaßnahmen und fordert Arbeitgeber zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Grundsätze in besonderem Maße auf.

Insgesamt setzt das Urteil einen klaren rechtlichen Rahmen dafür, wann und wie eine Überwachung im Beschäftigungsverhältnis aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig ist – und wann sie zu Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DS-GVO führen kann. Arbeitgeber sollten daher größte Sorgfalt walten lassen, um rechtliche Risiken infolge unrechtmäßiger Maßnahmen zu vermeiden.

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