AWO-Affäre vor Gericht: Detektiv beauftragt – Wer hat Informationen an die FNP durchgestochen?

AWO-Affäre vor Gericht: Detektiv beauftragt – Wer hat Informationen an die FNP durchgestochen?

Im Rahmen der juristischen Aufarbeitung der sogenannten AWO-Affäre beschäftigt sich derzeit das Frankfurter Landgericht mit einem bemerkenswerten Nebenaspekt: Es geht um die Frage, wer interne Informationen aus dem Strafverfahren an die „Frankfurter Neue Presse“ (FNP) durchgestochen hat. Auslöser war ein Artikel, der bereits im Januar 2021 erschien und in dem detaillierte Angaben zu einem damaligen staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsbeschluss enthalten waren – ein Dokument, das zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich gewesen sein kann.

Wie nun vor Gericht bekannt wurde, hatte daraufhin einer der Hauptbeschuldigten, der frühere AWO-Geschäftsführer, einen Privatdetektiv engagiert. Dessen Auftrag bestand darin herauszufinden, wer das brisante Dokument an die Medien weitergegeben haben könnte. Nach Angaben der Verteidigung waren unter den Verdächtigen unter anderem auch Behördenmitarbeiter. Eine konkrete Spur ergab sich offenbar jedoch nicht.

Hintergrund der AWO-Affäre

Die Vorwürfe gegen die frühere Führungsriege des Frankfurter Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt (AWO) stehen bereits seit mehreren Jahren im Fokus der juristischen Aufarbeitung. Im Zentrum stehen unter anderem Untreue, überhöhte Gehälter, Luxusdienstwagen sowie überdimensionierte Reisekosten. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen insgesamt sieben Personen. Der wirtschaftliche Schaden soll sich auf mehrere Millionen Euro belaufen.

Unter anderem wird den ehemaligen AWO-Verantwortlichen vorgeworfen, Gelder des gemeinnützigen Vereins für private Zwecke missbraucht zu haben. Der Strafprozess vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt läuft seit Herbst 2023 und zieht sich aufgrund der Komplexität des Falls sowie der Vielzahl an Beweismitteln in die Länge.

Der Medienbericht und die Weitergabe vertraulicher Informationen

Der Artikel der FNP vom 19. Januar 2021 hatte für erhebliche Unruhe gesorgt. Darin wurden nicht nur Informationen aus dem nicht öffentlichen Durchsuchungsbeschluss zitiert, sondern auch erzählerisch Details dargestellt, die nahelegen, dass die Redaktion Kenntnis aus internen Ermittlungsunterlagen hatte. Derartige Durchsuchungsbeschlüsse unterliegen der Vertraulichkeit und dürfen nur den Beteiligten, also den Ermittlungsbehörden und den Betroffenen, zugänglich sein.

Nach Auffassung der Verteidigung lag der Verdacht nahe, dass es innerhalb der Behörden zu einem unzulässigen Informationsabfluss gekommen sein könnte. Der daraufhin beauftragte Privatdetektiv sollte dem Ursprung der Weitergabe auf den Grund gehen. Das Ergebnis dieser Ermittlungen wurde nun auch im Rahmen der gerichtlichen Hauptverhandlung thematisiert. Konkrete Anhaltspunkte für einen bestimmten Informanten ergaben sich offenbar nicht.

Konsequenzen und rechtliche Bewertung

Die Weitergabe vertraulicher behördlicher Dokumente an die Presse kann strafrechtlich relevant sein. Insbesondere kommt ein Verstoß gegen § 353d Strafgesetzbuch (StGB) in Betracht, der die unzulässige Veröffentlichung amtlicher Dokumente aus einem Strafverfahren unter Strafe stellt. Auch Beamtenrechtliche Konsequenzen wären denkbar, sollte sich herausstellen, dass die Information aus einer Ermittlungsbehörde herausgegeben wurde.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt wurde bislang jedoch kein gesondertes Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats eingeleitet. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sich keine konkreten Hinweise darauf ergaben, durch wen das Dokument an die Presse gelangt ist.

Verteidigung sieht Öffentlichkeit des Verfahrens gefährdet

Die Verteidiger der früheren AWO-Funktionäre kritisieren die vermeintliche Informationsweitergabe scharf. Ihrer Auffassung nach wurde dadurch nicht nur die Unschuldsvermutung verletzt, sondern auch der faire Ablauf des Verfahrens gefährdet. Denn Medienberichte auf Grundlage interner Ermittlungsunterlagen könnten die öffentliche Wahrnehmung – und damit auch potenziell die Bewertung durch das Gericht – beeinflussen.

Auch innerhalb des Gerichts wurde die Thematik inzwischen aufgegriffen. Die Vorsitzende Richterin ließ erkennen, dass sie der Weitergabe geschützter Informationen durchaus kritisch gegenübersteht, betonte jedoch, dass dies außerhalb des eigentlichen Verfahrensgegenstands stehe. Der Hauptprozess konzentriert sich weiterhin auf die strafrechtliche Aufarbeitung der mutmaßlichen Missstände innerhalb der AWO Frankfurt.

Ausblick

Mit der Beauftragung eines Privatdetektivs zum Zweck der Aufklärung eines möglichen Geheimnisverrats betritt der AWO-Prozess eine ungewöhnliche Nebenebene. Zwar ist das Vorgehen eines Beschuldigten, sich gegen mediale Vorverurteilung zur Wehr zu setzen, legitim. Gleichwohl zeigt es, wie groß das Misstrauen gegenüber der Unversehrtheit des Ermittlungsprozesses ist – und wie hoch die Sensibilität für Medienberichte innerhalb von Wirtschaftsstrafverfahren geworden ist.

Der Strafprozess gegen die AWO-Verantwortlichen wird in den kommenden Wochen mit weiteren Beweisaufnahmen fortgeführt. Öffentliche und mediale Aufmerksamkeit dürften dem komplexen Verfahren weiterhin sicher sein, nicht zuletzt wegen der möglichen politischen Implikationen auf kommunaler Ebene. Die Frage, wer die sensiblen Informationen weitergegeben hat, bleibt bislang offen – möglicherweise wird sie auch nie endgültig geklärt werden können.

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