AWO-Affäre vor Gericht: Detektiv beauftragt – Wer hat Informationen an die FNP durchgestochen?

AWO-Affäre vor Gericht: Detektiv beauftragt – Wer hat Informationen an die FNP durchgestochen?

Im juristischen Ringen rund um die AWO-Affäre in Frankfurt erreicht der Komplex eine neue Facette: Vor dem Landgericht Frankfurt wird derzeit verhandelt, ob ein ehrenamtlicher Funktionär Interna aus dem internen Compliance-Verfahren der Arbeiterwohlfahrt (AWO) an die „Frankfurter Neue Presse“ (FNP) weitergegeben hat. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob durch die mögliche Weitergabe von Informationen an die Presse eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht vorliegt – mit erheblichen Konsequenzen für den Betroffenen, der gegen eine Vertragsstrafe klagt.

Die AWO hatte nach dem Bekanntwerden der Affäre, in der es unter anderem um mutmaßliche Bereicherung, Vetternwirtschaft und überhöhte Gehälter innerhalb des Kreisverbands Frankfurt geht, interne Compliance-Untersuchungen eingeleitet. In deren Rahmen hatte der nun beklagte Ehrenamtliche eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterzeichnet. Eine Publikation vertraulicher Inhalte könnte daher nicht nur eine juristische Verfehlung darstellen, sondern auch ein disziplinarisches Fehlverhalten mit sich bringen.

Die Klageeinreichung erfolgte durch den Funktionär selbst. Er wendet sich gegen die von der AWO verhängte Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 Euro wegen vermeintlicher Weitergabe entsprechender Informationen. Die Sozialorganisation stützt sich bei ihrer Argumentation auf die Veröffentlichung eines Artikels der FNP vom 4. August 2023. Darin war über Inhalte aus dem internen Compliance-Bericht berichtet worden – darunter auch brisante Einzelheiten zum damaligen Führungsverhalten innerhalb des Verbands.

Zur Untermauerung ihres Verdachts auf ein Informationsleck hatte die AWO nach eigenen Angaben eine Detektei beauftragt. Diese soll unter anderem DNS-Spuren und Rückverfolgungen von elektronischer Kommunikation untersucht haben. In der Verhandlung wird insbesondere die Rolle dieses externen Dienstleisters relevant sein, da die Ergebnisse seiner Ermittlungen als Grundlage der Vertragsstrafenforderung dienen.

Der beklagte Funktionär bestreitet ausdrücklich, der FNP Informationen zugespielt zu haben. Seiner Ansicht nach sei nicht zweifelsfrei belegt, dass er der Ursprung der publik gewordenen Details war. Zudem führt er an, dass er durch die Vertragsstrafe in unzulässiger Weise belangt werde, da keine eindeutige Verbindung zwischen ihm und dem Bericht hergestellt werden könne. Sein Anwalt stellte infrage, ob der Artikel tatsächliche Bezüge zu seinem Verhalten beinhaltet oder auf anderen Quellen beruht.

Der Fall verdeutlicht die wachsende juristische Bedeutung interner Compliance-Verfahren, insbesondere dann, wenn Medienberichterstattung mit sensiblen Informationen vermischt wird. Auch reflektiert die Klage das Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit, Whistleblowing und interner Geheimhaltungspflicht.

Die AWO Frankfurt hatte im Zuge der in 2019 öffentlich gewordenen Affäre mehrere Maßnahmen zur Aufklärung der Vorgänge eingeleitet. Neben einem vollständigen personellen Neuanfang in der Führung wurden externe Prüfer und Rechtsexperten einbezogen, darunter auch spezialisierte Anwaltskanzleien für Arbeits- und Vertragsrecht. Die Organisation sieht sich, auch angesichts der Spendentransparenz, in der Pflicht, Verstöße gegen internes Regelwerk konsequent zu ahnden.

Das Landgericht Frankfurt steht nun vor der Herausforderung, die tatsächliche Beweislage zu bewerten. Wesentliche Fragen betreffen dabei die Zulässigkeit und Beweiskraft der Ermittlungen der Detektei sowie die juristische Auslegung der Verschwiegenheitsverpflichtung. So wird etwa geprüft, ob die damals unterzeichnete Vereinbarung ausreichend bestimmt formuliert war, um eine Vertragsstrafe rechtlich durchzusetzen.

Der vorsitzende Richter gab in der bisherigen Verhandlung zu erkennen, dass eine Beweisaufnahme erforderlich sei, um den Sachverhalt fundiert zu klären. Das Verfahren könnte sich daher über mehrere Verhandlungstage hinziehen. Auch Zeugenanhörungen sind nicht ausgeschlossen. Es bleibt offen, ob die FNP als Dritte in das Verfahren einbezogen oder schlicht als Beobachterin verbleiben wird.

Unabhängig vom Ausgang des Prozesses wird der Rechtsstreit voraussichtlich Auswirkungen auf den Umgang mit internen Compliance-Daten innerhalb gemeinnütziger Organisationen haben. Der Fall könnte als Referenz für künftige Verfahren dienen, in denen Ehrenamtliche oder hauptamtliche Mitarbeiter unter Berufung auf Informationsfreiheit oder ethische Verpflichtungen interne Missstände publik machen.

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen interne Informationen nach außen getragen werden dürfen, wird insbesondere im Non-Profit-Sektor zunehmend relevant. Während Whistleblower rechtlich in bestimmten Fällen geschützt sind, können sie in anderen Konstellationen zivilrechtlich haftbar gemacht werden – insbesondere, wenn sie Vertragsklauseln verletzen.

Das Urteil in dem Verfahren wird frühestens in einigen Wochen erwartet. Die AWO Frankfurt kündigte an, unabhängig vom Ausgang weiter auf vollständige juristische Aufarbeitung und interne Transparenz zu setzen. Der beklagte Ehrenamtliche möchte mit dem Verfahren nach eigenen Angaben seine Reputation wiederherstellen und Klarheit über seine Rolle in der Affäre schaffen.

Die Verhandlung zeigt exemplarisch, wie komplex und vielschichtig die rechtlichen Implikationen von Compliance-Vorgängen im Dritten Sektor sein können. Gleichzeitig unterstreicht der Fall die Bedeutung klarer vertraglicher Regelungen und sensibler Kommunikation innerhalb solcher Organisationen – nicht zuletzt in einer Zeit, in der auch bei gemeinnützigen Trägern verstärkt auf Governance und Rechenschaftspflicht geachtet wird.

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