AWO-Affäre vor Gericht: Detektiv beauftragt – Wer hat Informationen an die FNP durchgestochen?
Im Zusammenhang mit der sogenannten AWO-Affäre um mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei Kreis- und Stadtverbänden der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt und Wiesbaden steht nun auch ein mutmaßlicher Informationsabfluss an die Öffentlichkeit im Fokus juristischer Aufarbeitung. Vor dem Frankfurter Landgericht wurde ein Verfahren eröffnet, in dem es um eine möglicherweise unrechtmäßige Weitergabe interner Informationen an die „Frankfurter Neue Presse“ (FNP) geht. Der zentrale Vorwurf: Es könnten unzulässige Interna an Medien gelangt sein, die aus einer internen Untersuchung stammten. Zur Klärung wurde sogar ein Detektiv beauftragt.
Hintergrund des Verfahrens ist die bereits länger andauernde juristische und öffentliche Aufarbeitung der Geschehnisse rund um die AWO Frankfurt und Wiesbaden. Einer der Hauptaspekte in dieser Affäre betreffen überhöhte Gehälter, unzulässige Sonderzahlungen und intransparente Vergabe von Aufträgen innerhalb der Organisation. Im Zuge dieser Vorkommnisse kam es zu innerverbandlichen Streitigkeiten, internen Ermittlungen und schließlich auch strafrechtlichen Untersuchungen durch Staatsanwaltschaften.
Ein Nebenschauplatz des Gesamtkomplexes wird nun vor Gericht verhandelt: Die von der AWO beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hatte in einem internen Bericht diverse Unregelmäßigkeiten festgestellt. Dieser Bericht wurde der Geschäftsführung und dem Vorstand der Arbeiterwohlfahrt übergeben. Teile des Inhalts landeten 2021 schließlich in einem Artikel der FNP.
Die Veröffentlichung rief massive Irritationen innerhalb der AWO hervor. Im Vorstand wurde vermutet, dass ein interner Akteur die Informationen weitergeleitet haben könnte. Die Verbandsspitze beauftragte daraufhin eine Wirtschaftsdetektei, um den möglichen Informationsfluss nach außen zu untersuchen. Die Beauftragung des Detektivs ist dagegen nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens, sondern Bestandteil des Kontextes, in dem sich der nun behandelte Vorgang ereignet hat.
Gegenstand des aktuellen Prozesses ist die Frage, ob ein früheres Vorstandsmitglied der AWO gezielt vertrauliche Unterlagen an die Redaktion der Frankfurter Neuen Presse weitergegeben hat. Die Verteidigung weist den Vorwurf entschieden zurück und betont, dass keine gesetzwidrige Handlung stattgefunden habe. Die betroffene Person habe auch nicht ohne Zustimmung des Gesamtvorstands gehandelt, vielmehr sei die interne Kommunikation innerhalb der AWO komplex gewesen und habe nicht immer einer klaren Linie gefolgt.
Juristisch relevant ist vor allem, ob es sich bei der Weitergabe um eine unzulässige Geheimnisverrats- oder Datenschutzverletzung handelt oder ob – so die Gegenseite – das öffentliche Interesse an Aufklärung über die internen Vorgänge innerhalb eines gemeinnützigen Wohlfahrtsverbandes überwog. Insbesondere, da dieser Verband maßgeblich durch öffentliche Mittel finanziert wird und somit einer besonderen Transparenz verpflichtet ist.
In der Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt sollen nun unter anderem die Umstände der Informationsweitergabe, der Einblick in interne Dokumente sowie die Rolle einzelner Funktionsträger:innen beleuchtet werden. Das Gericht will zudem prüfen, ob sich aus dem Verhalten des angeklagten früheren Vorstandsmitglieds eine Pflichtverletzung oder ein Straftatbestand ergibt.
Besondere Bedeutung erhält das Verfahren auch deshalb, weil es exemplarisch für den Umgang großer gemeinnütziger Organisationen mit interner Kritik und ihrer öffentlichen Kommunikation steht. Die Beauftragung eines Detektivs durch die Verbandsspitze wird von Beobachtenden als Ausdruck eines tiefgreifenden Misstrauens innerhalb der Organisation gewertet. Solche Maßnahmen werfen zwangsläufig Fragen nach einem ausgewogenen Verhältnis von interner Aufklärung, Datenschutz und öffentlichem Interesse auf.
Noch ist unklar, mit welchen Ergebnissen der Prozess enden wird. Klar ist aber bereits, dass das Verfahren weit über den Einzelfall hinaus Wirkung entfalten kann. Sollte das Gericht feststellen, dass die Weitergabe interner Unterlagen rechtmäßig war, könnte das Grundsatzfragen der Transparenzpflicht öffentlicher Träger neu aufwerfen. Umgekehrt würde eine Verurteilung bedeuten, dass selbst Mitarbeiter:innen gemeinnütziger Organisationen bei weitergeleiteten Informationen mit juristischen Konsequenzen rechnen müssen – selbst wenn die Veröffentlichung der Aufklärung gedient haben sollte.
Die AWO selbst hat sich zu dem laufenden Verfahren nicht öffentlich geäußert und verweist auf den schwebenden Prozess. Auch die betroffene Zeitung gibt aus presseethischen Gründen keine Stellungnahme dazu ab, wie sie an die Informationen gelangte. Solche Zurückhaltung ist angesichts der Bedeutung des Informantenschutzes in journalistischer Arbeit üblich und journalismusrechtlich geschützt.
Der Fortgang des Prozesses wird mit Spannung erwartet, nicht nur innerhalb der Wohlfahrtsorganisation AWO, sondern auch darüber hinaus in juristischen, politischen und journalistischen Kreisen. Eine Entscheidung des Gerichts könnte Signalwirkung für den Umgang mit interner Kritik und Whistleblowing in öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen entfalten.