ARD-Krimi-Serie „Die Füchsin“: Eine Stasi-Agentin pfeift auf die Schuldgefühle

ARD-Krimi-Serie „Die Füchsin“: Eine Stasi-Agentin pfeift auf die Schuldgefühle

Die ARD-Krimireihe „Die Füchsin“ geht in die finale Staffel. Mit der geplanten sechsten Staffel endet eine Serie, die sich nicht nur durch ihre ungewöhnliche Ermittlerin, sondern auch durch die thematische Auseinandersetzung mit deutsch-deutscher Geschichte einen festen Platz im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erarbeitet hat. Im Zentrum steht Anne Marie Fuchs, Ex-Stasi-Agentin, die sich nach der Wende als Privatdetektivin in Düsseldorf durchschlägt – klug inszeniert, abseits gängiger Klischees und mit deutlichen politischen Untertönen.

Die Figur der Anne Marie Fuchs, gespielt von Lina Wendel, ist keine klassische Heldin. Ihre Vergangenheit beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR macht sie zur moralisch ambivalenten Protagonistin. Doch gerade diese Komplexität verleiht der Serie eine besondere Tiefe. Im Gegensatz zu gängigen Narrativen über Reue und Läuterung weigert sich Fuchs hartnäckig, ihre Vergangenheit als Schuld zu verarbeiten. Sie selbst sieht ihre einstige Tätigkeit vielmehr als Beruf. Die Haltung ihrer Figur provoziert immer wieder Diskussionen im Serienverlauf – insbesondere weil sie dadurch auf reale gesellschaftliche Konflikte verweist.

Seit dem Start der Reihe im Jahr 2015 haben sich acht Filme angesammelt. Unterstützt wird Fuchs von ihrem Assistenten Youssef El Kilali, gespielt von Karim Chérif. Der aus Marokko stammende Ex-Polizist fungiert als moralisches Korrektiv und pragmatischer Gegenpol zur analytischen und stoisch auftretenden Hauptfigur. Die Konstellation dieser beiden Figuren ermöglicht es, Gegenwarts- und Vergangenheitsbewältigung in einer sich verändernden urbanen Realität zu verhandeln. Migration, Integration, Kriminalität und Erinnerungskultur stehen bei den Ermittlungen regelmäßig im Fokus.

Treibende kreative Kraft hinter der Serie ist Autor Ralf Kinder, bekannt für seine Arbeit an Krimireihen wie „Tatort“ und „Soko Köln“. Mit Produzentin Ziegler Film hat die ARD eine Konstellation gewählt, die großen Wert auf dramaturgische Präzision und gesellschaftliche Relevanz legt. Die visuelle Umsetzung unter der Regie verschiedener Regisseurinnen und Regisseure bleibt dabei stets zurückhaltend, realitätsnah und ohne künstliche Überhöhung – passend zur Figur der Anne Marie Fuchs, die selbst eher im Schatten agiert als im Rampenlicht.

Einen besonderen Stellenwert nimmt in „Die Füchsin“ die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit ein. Die Handlung bezieht sich wiederholt auf Aspekte wie Überwachung, ideologische Motivation und den Umgang mit dem Systemwandel nach 1989. Fuchs ist dabei nicht bloß ein Überbleibsel des SED-Staats, sondern verkörpert dessen Nachwirkungen – nicht reumütig, sondern nüchtern, distanziert und mit der Überzeugung, im Rahmen ihrer damaligen Weltordnung richtig gehandelt zu haben. Dies erlaubt dem Format, sich vom üblichen Täter-Opfer-Schema abzuheben und komplexere Deutungen zuzulassen.

Die Spannbreite der Fälle, die die Detektei Fuchs bearbeitet, reicht von Familiendramen über politischen Extremismus bis hin zu organisierter Kriminalität. Die Serie vermeidet dabei weitgehend Stereotype. Stattdessen nutzt sie das Krimigenre, um gesellschaftliche Brüche und soziale Realitäten sichtbar zu machen. Dass Kriminalität nicht selten Ausdruck tiefer liegender struktureller Probleme ist, wird nicht nur angedeutet, sondern explizit verhandelt – ob es um rechtsradikale Netzwerke, staatliches Versagen oder interkulturelle Konflikte geht.

Die finale Staffel ist derzeit in Vorbereitung, ein konkreter Sendetermin steht noch aus. Sie wird wie die vorangegangenen Episoden auf den Sendeplätzen des „Donnerstagskrimis“ in der ARD erwartet. Mit dem Ende der Reihe verliert das Erste ein Format, das thematisch und stilistisch aus dem gängigen Krimi-Angebot herausragt. Die Figur der Füchsin, die sich weigert, Schuld auf sich zu nehmen und stattdessen in einer moralischen Grauzone operiert, bleibt außergewöhnlich.

Während andere Serien auf persönliche Läuterung setzen, bleibt Anne Marie Fuchs bis zuletzt standhaft in ihrer Haltung. Ihre Rolle bietet damit mehr als nur kriminalistische Unterhaltung: Sie liefert Stoff zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Gegenwart der deutschen Gesellschaft. Der Abschied von dieser Figur markiert zugleich das Ende eines Formats, das sich unbequemen Themen gestellt und dabei dennoch ein breites Publikum erreicht hat – ein Spagat, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht selbstverständlich ist.

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